Die HDP-Politikerin Caize Yarici hat Anzeige gegen die Polizei im westtürkischen Aydin erstattet. Hintergrund sind zwei erzwungene Nacktdurchsuchungen, welche die Kurdin aus Bazîd (tr. Doğubayazıt) kürzlich über sich ergehen lassen musste. Yarici gehört dem Vorstand des HDP-Provinzverbands in Aydin an. Vor zwei Wochen wurde sie zusammen mit zwölf weiteren Frauen aus den Strukturen der HDP festgenommen und befand sich vier Tage in Gewahrsam. In dieser Zeit sei Yarici zwei Mal auf entwürdigende Weise nackt durchsucht worden.
„Die erste Leibesvisitation fand sogar bei mir zu Hause statt“, erklärt die Politikerin. „Während die Durchsuchung meiner Wohnung noch andauerte, wurde ich von mehreren Beamtinnen in ein Zimmer gebracht und gezwungen, mich zu entkleiden.“ Die weitaus demütigendere Nacktdurchsuchung erfolgte wenig später auf dem Polizeipräsidium im Kreis Didim. „Zuerst mussten meine Kollegin und ich etwa drei Stunden warten. Bevor es dann in die Zelle ging, wurden wir von zwei weiblichen und vier männlichen Polizisten in einen Raum geleitet. Die Beamten blieben vor der Tür stehen, die einen Spalt offenstand. Dann sind wir aufgefordert worden, uns vollständig zu entblößen – weil es die Prozedur so vorsehe. Wir mussten nackt drei Mal in die Hocke gehen und nach oben zu springen. Es war sehr erniedrigend“, äußert Yarici.
Es geht um die patriarchale Dominanz über die Frau
Die Festnahmen seien von der Polizei mit angeblichem Terrorverdacht gegen die HDP-Frauen begründet worden, führt Yarici weiter aus. „In Gewahrsam wurde ich aber viel mehr zu meiner Schwester befragt, die im Befreiungskampf gefallen ist. Der Polizeidirektor drohte, wann immer er es wolle, mich zur Rechenschaft zu ziehen. Schließlich arbeite er für eine große und starke Türkei, wie er es formulierte.“ Yarici unterstreicht, dass sich die staatliche Repression gegen die HDP in Aydin in erster Linie gegen Frauen richte und mit jedem Tag noch intensiver zu spüren sei. „Mit dem Druck und Festnahmeoperationen wie der letzten demonstrieren uns die Behörden im Grunde ihre Angst vor uns. Ob Staat oder Ehemann; es geht um die patriarchale Dominanz über die Frau, die eben auch durch Nacktdurchsuchungen und der damit einhergehenden Folterung des weiblichen Körpers verdeutlicht werden soll.“
Staatliche Repression verstärkt bei Individuen Kollektivgutanreize
Yarici ist nach ihrer bei der Staatsanwaltschaft Aydin gestellten Anzeige auch beim Menschenrechtsverein IHD vorstellig geworden, um die Leibesvisitationen dort ebenfalls zu melden. „Ich bin entschlossen, den juristischen Weg bis zum Ziel zu beschreiten“, sagt die Politikerin. In erster Linie gehe es ihr dabei um kollektive Gerechtigkeit. „Staatliche Repression verstärkt bei Individuen eben die Kollektivgutanreize“, sagt Yarici.
EGMR hat Türkei wegen Nacktdurchsuchung verurteilt
Das Thema der Nacktdurchsuchungen ist durch die Polizeiübergriffe auf die Studierenden der Boğaziçi-Universität erneut auf die Tagesordnung gelangt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte bereits 2016 einen Fall von einer Nacktdurchsuchung in der Türkei als Rechtsverletzung verurteilt. Dies hielt das Regime in Ankara allerdings nicht davon ab, diese Praxis fortzusetzen.
Gergerlioğlu: Bewusste Bloßstellung der Opfer
Ende 2020 thematisierte der HDP-Abgeordnete und Arzt Ömer Faruk Gergerlioğlu die Nacktdurchsuchungen in staatlichem Gewahrsam. In der westtürkischen Provinz Uşak war es im September zu einer Festnahmeoperation gegen vermeintliche Mitglieder der als FETÖ („Fethullahistische Terrororganisation”) in der Türkei verfolgten Bewegung des Predigers Fethullah Gülen gekommen. Etwa dreißig junge Frauen, größtenteils Studentinnen, wurden Gergerlioğlu zufolge im Polizeipräsidium erniedrigenden Nacktdurchsuchungen unterzogen. Der Politiker war der erste, der von dem Skandal berichtete.
Daraufhin brachte der 55-jährige Mediziner die Vorwürfe mehrmals im Parlament sowie in der parlamentarischen Menschenrechtskommission zur Sprache. Gergerlioğlu wies in dem Zusammenhang darauf hin, dass es in türkischen Polizeiwachen und Haftanstalten regelmäßig zu Maßnahmen wie teils gewalttätigen Nacktdurchsuchungen komme, die sowohl Gefangene als auch Angehörige betreffen, und deren Umstände eine bewusste Bloßstellung der Opfer nahelegten.