Kongra Star: Der türkische Staat fürchtet freie Frauen

Der Frauenverband Kongra Star erklärt, dass der türkische Drohnenterror in Nordsyrien auf die Philosophie freier Frauen abzielt. Yusra Derwêş und Liman Şiwêş haben sich jahrelang für die Eigenständigkeit von Frauen eingesetzt.

Der Frauenverband Kongra Star hat eine Erklärung zu dem türkischen Drohnenangriff im nordsyrischen Distrikt Tirbespiyê abgegeben. Bei dem Angriff sind die Ko-Vorsitzende der Selbstverwaltung im Kanton Qamişlo, Yusra Derwêş, ihre Stellvertreterin Liman Şiwêş und der Fahrer Firat Tûma getötet. Der Ko-Vorsitzende Gabî Şemûn überlebte schwer verletzt.

Liman Şiwêş, Firat Tûma, Yusra Derwêş

Kongra Star verweist in der Erklärung auf die ständigen Angriffe des türkischen Staats auf die Zivilbevölkerung der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien und stellt fest, dass Staatschef Erdoğan anstelle des bestehenden demokratischen System eine Herrschaft nach IS-Manier etablieren will: „Dieser faschistische Staat zeigt keine Spur von Menschlichkeit und Demokratie und kann eine von Frauen angeführte demokratische Ordnung nicht tolerieren. Anstelle eines demokratischen Systems will er finstere Kräfte wie den IS etablieren. Der heutige Angriff hat nicht zufällig parallel zum Astana-Gipfel stattgefunden. Er ist ein Ergebnis der türkisch-russischen Zusammenarbeit. Dass die Angriffe nach den Wahlen in der Türkei gesteigert werden, ist Erdoğans Politik. Erdoğan ist ein eingeschworener Feind der Kurd:innen und hat vor den Wahlen Angriffe auf die Region angekündigt. Er sagte, dass er darauf bestehe, die Menschen in der Region und die Kurd:innen zu töten. Um seine neo-osmanischen Ziele zu erreichen, ist er zu allem bereit.

Obwohl diese Angriffe vor den Augen der Welt stattfinden, äußern sich weder die Vereinten Nationen noch die Europäische Union, die internationale Koalition gegen den IS oder Menschenrechtsorganisationen dazu. Die Menschen in der Region haben sich jahrelang gegen den IS-Terror verteidigt und werden sich auch gegen die Angriffe der türkischen Besatzer zur Wehr setzen.“

Die Angst vor der Philosophie freier Frauen

Die Ko-Vorsitzenden des Kantons Qamişlo befanden sich auf dem Weg zur Arbeit, als sie von der türkischen Kampfdrohne attackiert wurden, teilt Kongra Star mit und spricht den Angehörigen ihr Beileid aus. Weiter heißt es in der Erklärung:

„Wir möchten ein weiteres Mal betonen, dass sich die Angriffe des faschistischen türkischen Besatzerstaates vor allem gegen Frauen richten. Damit zeigt sich gleichzeitig die Angst vor den Gedanken und der Philosophie freier Frauen. Unsere Weggefährtinnen Liman und Yusra haben ihrem Land und der Gesellschaft viele Jahre in führender Position und auf Leitungsebene gedient. Sie haben sich unentwegt dafür eingesetzt, dass Frauen eine freie Identität erlangen und auf eigenen Füßen stehen können. Vor allem im Sozial- und Bildungsbereich haben sie Großes geleistet und die laufenden Arbeiten maßgeblich geprägt.“

Mit dem gezielten Anschlag habe die Feindseligkeit des türkischen Staates einen neuen Höhepunkt erreicht, erklärt Kongra Star und verweist auf einen Drohnenangriff auf Mitglieder des Frauenverbands im Juni 2020 in der Nähe von Kobanê: „In der Vergangenheit sind Freundinnen von uns ermordet worden, als sie im Garten eines Hauses im Dorf Helincê saßen. Zehra Berkel, Zeynep Saroxan, Hevrîn Xelef, Jiyan Tolhildan, Yadê Eqîde und Hunderte weitere Frauen sind im Zuge der türkischen Angriffe gefallen. Diese Feindseligkeit gegenüber freien Frauen wird uns nicht davon abhalten, den Weg unserer Gefallenen fortzusetzen. Wir verurteilen den brutalen Angriff und rufen alle Frauen und die Gesellschaft dazu auf, die Gefallenen zu würdigen und sich für die Werte unserer Revolution einzusetzen.“


Titelfoto: Yusra Derwêş, geboren 1972 in Amûdê, hat Französisch studiert und nach der Revolution von Rojava im Juli 2012 zunächst als Kurdischlehrerin gearbeitet. Dann wurde sie Direktorin des Betûl-Gymnasiums in Amûdê und Ko-Vorsitzende des örtlichen Bildungskomitees. Seit dem 1. November 2022 war sie Ko-Vorsitzende des Kantonsrates von Qamişlo.