„Ohne Frauen kein Frieden, keine Einheit, keine Zukunft“
Mit einem kraftvollen Aufruf zur Stärkung der Rolle von Frauen in der nationalen Einheit, im kulturellen Erbe und im Friedensprozess ist die 3. Konferenz der Plattform der kurdischen Frauen am Sonntag in Amed (tr. Diyarbakır) zu Ende gegangen. Unter dem Motto „Mit der Einheit der kurdischen Frauen zur nationalen Einheit“ fand die zweitägige Versammlung im Konferenzzentrum der Handelskammer statt. Höhepunkt war die Veröffentlichung einer umfassenden Abschlusserklärung, die den Weg für eine stärkere politische, kulturelle und soziale Partizipation von Frauen im Aufbau einer demokratischen Gesellschaft skizziert.
Kollektive Verantwortung für Kultur, Sprache, Frieden
Wie Devrim Demir, abgesetzte Ko-Bürgermeisterin von Mêrdîn (Mardin) und Sprecherin der nun umbenannten „Plattform der Frauen Nordkurdistans“, betonte, war das Ziel der Konferenz, eine gemeinsame politische Vision zu formulieren: „Kurdinnen tragen seit jeher die Erinnerung, die Widerstandskraft und die Fürsorge für Gemeinschaft und Natur. Diese Kräfte sollen nun systematisch in den Prozess nationaler Einheit und des gesellschaftlichen Wiederaufbaus eingebracht werden.“
Der Text der Abschlusserklärung formuliert das Selbstverständnis der kurdischen Frauenbewegung als „Trägerin von Sprache, Kultur und kollektiver Erinnerung“, verweist aber auch auf die doppelte Belastung durch patriarchale Strukturen und staatliche Gewalt. „Ohne die Freiheit der Frau gibt es keine Freiheit der Gesellschaft“, heißt es mehrfach.
Devrim Demir
Politische Kernbotschaften und Forderungen
Fünf zentrale Handlungsfelder wurden beschlossen:
Kurdinnen als Motor nationaler Einheit: Der Aufbau einer kurdischen Frauenunion wird nicht als Option, sondern als historische Notwendigkeit begriffen – getragen von Frauen aus allen Teilen Kurdistans. Ziel sei eine grenzüberschreitende, organisierte Kraft, die zur treibenden Kraft im Prozess der kurdischen Einigung werde.
Kulturelle Verantwortung: Frauen sollen ihre Schlüsselrolle als Trägerinnen kurdischer Kultur – von Sprache, Kleidung, Liedern bis zu Ritualen – stärker wahrnehmen. Vorgeschlagen wird unter anderem ein jährliches internationales Kultur- und Kunstfestival im Wechsel zwischen kurdischen Regionen.
Sprachpolitik und Bildung: Die Konferenz bekräftigt die Forderung nach Anrecht auf Bildung in kurdischer Sprache und ruft Frauen dazu auf, lokale Sprachinitiativen zu bilden, zu vernetzen und mit Leben zu füllen. Der Mythos, Kurdisch sei keine „Bildungssprache“, müsse aktiv bekämpft werden.
Schutz vor geschlechtsspezifischer und politischer Gewalt: Die Erklärung kritisiert die verflochtene Gewalt gegen Kurdinnen als national, geschlechtlich und strukturell bedingt – durch Armut, Zwangsmigration, Militarisierung. Es brauche deshalb nicht nur rechtliche, sondern auch organisierte, gemeinschaftliche Schutzmechanismen, etwa in Form von Frauennetzwerken und Bildungsprogrammen zur Selbstverteidigung.
Frauen als Friedensarchitektinnen: In Anlehnung an Abdullah Öcalans Vision einer demokratischen Gesellschaft betont die Plattform, dass Kurdinnen zentrale Akteurinnen eines künftigen Friedens sein müssen. „Die Waffen müssen schweigen, damit ein Frieden mit Gerechtigkeit, Gleichheit und pluralistischer Demokratie entstehen kann“, so die Erklärung. Internationale Frauensolidarität sei dabei unverzichtbar.
Politischer Rahmen: Öcalans Aufruf als Kompass
Die Konferenz rückte Abdullah Öcalans Aufruf vom 27. Februar zu Frieden und einer demokratischen Gesellschaft in den Mittelpunkt. Seine „Landkarte des Friedens“ biete die Grundlage für eine inklusive, säkulare und gleichberechtigte Ordnung – nicht nur für Kurdistan, sondern für die gesamte Region. Die derzeitige geopolitische Lage, etwa der Krieg Israels gegen Iran, wurde als Bedrohung für die Völker und zugleich als Bestätigung der Relevanz einer dritten, demokratischen Kraft gelesen.
Abschlussrede: „Die Praxis muss folgen“
Gülcan Kaçmaz Sayyiğit, Sprecherin der Initiative für eine demokratische Einheit, rief zur Umsetzung der Konferenzergebnisse auf. „Vielleicht war dies unsere letzte Konferenz – aber erst der Anfang für konkrete Schritte“, sagte sie. Sie forderte insbesondere die rasche Einberufung eines gesamtkurdischen Nationalkongresses, um das Momentum zu nutzen: „Die Frauenbewegung Kurdistans inspiriert weltweit – jetzt muss sie zur verbindenden Kraft eines nationalen Projekts werden.“
Symbolischer Abschluss: „Jin, Jiyan, Azadî!“
Mit den Leitsprüchen „Jin, Jiyan, Azadî!“ (Frau, Leben, Freiheit) und „Bijî berxwedana jinan“ (Es lebe der Widerstand der Frauen) ging die Konferenz als kraftvolles Zeichen zu Ende, dass der Kampf der Kurdinnen um Gleichberechtigung, kulturelle Selbstbestimmung und Frieden in eine neue Phase eintritt.