Der türkische Kassationshof hat die Verurteilung der YPJ-Kämpferin Çiçek Kobanê zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe wegen Störung der Einheit und Integrität des Staates und vorsätzlichem Mord bestätigt. Wie am Samstag bekannt wurde, hat das oberste Berufungsgericht der Türkei die Revision des Urteils gegen Kobanê in allen Punkten abgewiesen und die Entscheidung der Justiz aus zweiter Instanz gutgeheißen. Damit ist der Rechtsweg in der Türkei ausgeschöpft. Der Kurdin bleibt jetzt nur noch der Gang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg, der das Urteil in Frage stellen kann.
Çiçek Kobanê, die mit bürgerlichem Namen Dozgin Temo heißt, war im Oktober 2019 im nordsyrischen Ain Issa von der Dschihadistenmiliz „Ahrar al-Sham“ festgenommen worden, die als Verbündete der Türkei an der Invasion in Rojava beteiligt war. Die Söldner hatten zunächst Videos im Internet verbreitet, auf denen zu sehen war, wie sie ihre verwundete Gefangene beleidigten und mit ihrer Hinrichtung drohten. Nach internationalen Protesten übergaben sie sie an die türkische Armee.
Beim späteren Prozess hatte Kobanê erklärt, dass sie vor ihrer Gefangennahme nicht an Kampfhandlungen teilgenommen, sondern in der Region humanitäre Hilfe geleistet habe. Auf den Videos unmittelbar nach der Gefangennahme trägt sie Zivilkleidung. Zudem ist ihr in Gefangenschaft zwei Mal von Dschihadisten der „Ahrar al-Sham“ ins Bein geschossen worden. In einem türkischen Krankenhaus in der Grenzprovinz Riha (tr. Urfa) wurde ihr auf fehlerhafte Weise eine Platinschiene eingesetzt, seitdem ist Çiçek Kobanê stark eingeschränkt. Nach Angaben ihrer Mutter ist nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen.
Seit ihrer Gefangennahme befindet sich Çiçek Kobanê in einem Hochsicherheitsgefängnis in Riha. Im März vergangenen Jahres wurde sie erstinstanzlich zu erschwerter lebenslanger Haft plus weiteren zehn Jahren und zehn Monaten verurteilt. Im Juni bestätigte ein regionales Berufungsgericht diese Entscheidung. Aussichten auf eine bedingte Entlassung für Çiçek Kobanê gibt es nach gültiger Rechtsprechung damit nicht: Personen, die zu lebenslanger Freiheitsstrafe mit verschärftem Vollzug wegen Straftaten verurteilt wurden, die sie nach Auffassung des Gerichts innerhalb einer „Terrororganisation“ gegen die „Sicherheit des Staates“ begangen haben, verbleiben bis zum physischen Tod in Haft.
Çiçek Kobanê wurde im nordsyrischen Raqqa geboren und lebte in der westkurdischen Stadt Kobanê, von der sich auch ihr Kampfname ableitet. Sie war den Frauenverteidigungseinheiten YPJ (Yekîneyên Parastina Jin) beigetreten, um gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) zu kämpfen. Vor Gericht hatte sie dies damit begründet, dass sie sich der „am stärksten organisierten Kraft” in Nordsyrien anschließen wollte. Menschenrechtsorganisationen kritisierten die Verschleppung und Verurteilung der syrischen Staatsbürgerin vor einem türkischen Gericht als völkerrechtswidrig.