Drei Familienmitglieder der YPJ-Kämpferin Çiçek Kobanê (Dozgin Temo), die im vergangenen Oktober im Zuge der türkischen Invasion in den selbstverwalteten Gebieten Nordsyriens verletzt in Gefangenschaft geriet und seit ihrer völkerrechtswidrigen Verschleppung in die Türkei in Untersuchungshaft sitzt, sind nach Kobanê ausgewiesen worden. Wie die Nachrichtenagentur Mezopotamya Ajansı (MA) meldet, stürmten Polizisten am Montag in der nordkurdischen Grenzstadt Pirsûs (Suruç, Provinz Riha/Urfa) den Arbeitsplatz von Salih Temo, dem Vater von Çiçek Kobanê, und nahmen ihn sowie dessen Söhne Mahmut (15) und Mustafa (18) fest. Anschließend wurden alle drei über den für offizielle Grenzübertritte geschlossenen Grenzübergang Mürşitpınar nach Nordsyrien ausgewiesen. Die Abschiebung soll äußerst gewaltsam erfolgt sein, berichtet MA. Salih Temo sei von Beamten geschlagen worden. Außerdem sollen ihm nahezu alle Finger gebrochen worden sein.
Die restlichen Familienmitglieder, die seit dem von der Türkei unterstützten Überfall der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) auf Kobanê im Jahr 2014 in Pirsûs lebten, werden das Land in den nächsten Tagen ebenfalls verlassen. Ob sie freiwillig ausreisen oder von den Behörden dazu aufgefordert wurden, ist unklar.
Entführung von Çiçek Kobanê
Die Kämpferin der Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) Çiçek Kobanê geriet vermutlich am 21. Oktober im Dorf Mişrefa bei Ain Issa verletzt in Gefangenschaft der Dschihadistenmiliz Ahrar al-Sham / Bataillon Darat Izza (Dar Taizzah), die sich im Auftrag des NATO-Partners Türkei und dessen sogenannter „Syrischen Nationalarmee“ an der völkerrechtswidrigen Invasion in Rojava beteiligt. In sozialen Netzwerken tauchten Fotos und Videos von der Gefangennahme Çiçek Kobanês auf, in denen die Hinrichtung der Kämpferin angekündigt wurde. Die Dschihadisten präsentierten die Gefangene und schrien: „Ins Schlachthaus, ins Schlachthaus.“ Erst nach internationalen Protesten wurde sie in die Türkei überstellt. In Riha ist Çiçek Kobanê am Fuß operiert worden. Ihr wurde eine Platinschiene eingesetzt. Sie kann nicht allein aufstehen und sich nicht selbst versorgen.
Kurz nach der Operation wurde sie aus dem Krankenhaus heraus in die Antiterrorabteilung der Polizeidirektion verschleppt. Im Dezember wurde bekannt, dass die Generalstaatsanwaltschaft Urfa Anklage gegen Çiçek Kobanê und mindestens 98 weitere Kriegsgefangene aus Nordsyrien erhoben hat. Ihnen wird „Störung der Einheit und Integrität des Staates”, „Mitgliedschaft in einer bewaffneten terroristischen Organisation” und „vorsätzlicher Mordversuch” vorgworfen. Sie alle befinden sich in verschiedenen Gefängnissen in Untersuchungshaft. Çiçek Kobanê war zuletzt in Riha inhaftiert. Ob sie auch weiterhin in dem Hochsicherheitsgefängnis festgehalten wird, ist nicht bekannt.