Mutter von Çiçek Kobanê: „Helft meiner Tochter!“

Der Prozess gegen die im vergangenen Oktober von Islamisten in die Türkei verschleppte YPJ-Angehörige Çiçek Kobanê wird am Dienstag in Riha fortgesetzt. Ihre Mutter appelliert an Menschenrechtsorganisationen, sich für sie einzusetzen.

Der Prozess gegen Çiçek Kobanê wird am 28. Juli in Riha (türk. Urfa) fortgesetzt. Ihre Mutter appelliert an Menschenrechtsorganisationen, sich für ihre von Dschihadisten aus Nordsyrien in die Türkei verschleppte Tochter einzusetzen.

Çiçek Kobanê war am 21. Oktober im Dorf Mişrefa bei Ain Issa verletzt in Gefangenschaft der Dschihadistenmiliz Ahrar al-Sham / Bataillon Darat Izza (Dar Taizzah) geraten, die sich innerhalb des von der Türkei aufgebauten dschihadistischen Invasionskorps „Syrische Nationalarmee“ (SNA) an der völkerrechtswidrigen Besatzung in Nordsyrien beteiligt. In Online-Netzwerken tauchten Fotos und Videos von der Gefangennahme auf, in denen die Hinrichtung von Çiçek Kobanê angekündigt wurde. Die Islamisten präsentierten sie als Gefangene und schrien: „Ins Schlachthaus, ins Schlachthaus.“ Nach internationalen Protesten wurde sie in die Türkei überstellt. In Riha wurde ihr bei einer Operation am Fuß eine Platinschiene eingesetzt, anschließend kam die syrische Staatsbürgerin im Hochsicherheitsgefängnis Urfa in Untersuchungshaft. Seit der Operation kann Çiçek Kobanê nicht allein aufstehen und sich selbst versorgen. Anfang Juni begann der Prozess gegen sie. Die Anklage wirft der Kriegsgefangenen „Störung der Einheit und Integrität des Staates”, „Mitgliedschaft in einer bewaffneten terroristischen Organisation” und „vorsätzlichen Mordversuch” vor.

„Wir dachten, sie sei tot“

Die Kampagne „Women Defend Rojava“ hat in Nordsyrien mit der Mutter von Çiçek Kobanê gesprochen. Die Familie hat sieben Jahre lang in der Türkei gelebt. Im März wurden der Vater und zwei Brüder von Çiçek Kobanê gewaltsam ausgewiesen. Inzwischen ist die ganze Familie wieder in Rojava.

Zu der völkerrechtswidrigen Verschleppung von Çiçek Kobanê erzählt ihre Mutter: „Anfangs hatten wir vier Tage lang gar keine Informationen über sie, und als sie verschwand, dachten wir, sie wurde ermordet. Nach vier Tagen dann erhielt mein Mann ein Video auf seinem Telefon. Wir informierten sofort alle, die wir in Rojava kannten, und begannen, nach ihr zu suchen. Zu diesem Zeitpunkt lebten wir noch in der Türkei und fanden dort einen kurdischen Anwalt, mit dem wir dann gemeinsam mit einem Bild von ihr zu einer Einrichtung der Regierung gingen. Wir hatten Angst davor, ebenfalls verhaftet zu werden, wollten aber herausfinden, wo sie war, und ob sie noch lebte.”

Schwere Verletzung am Bein

Auf die Frage nach dem Gesundheitszustand von Çiçek Kobanê antwortet ihre Mutter: „Ihr Bein ist in einem wirklich schlechten Zustand. Sie kann sich nicht richtig bewegen, nicht gehen und sich nicht umziehen. Wir bemühen uns seit sechs Monaten um eine medizinische Behandlung für ihr Bein, aber sie hat immer noch keine erhalten. Sie ist nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen, und das beeinträchtigt ihre psychische Verfassung. Die größte Priorität hat die Behandlung ihres Beines. In der Zeit der Corona-Pandemie wurden viele Gefangene freigelassen, sie und andere politische Gefangene jedoch nicht. Sie war verwundet und hätte deshalb frei gelassen werden müssen. Stattdessen wurden alle Besuche ausgesetzt, und es wurden keine Vorkehrungen gegen das Virus getroffen, nicht einmal medizinische Untersuchungen.”

Seit drei Monaten kein Kontakt

Als die Familie noch in der Türkei lebte, konnte sie Çiçek Kobanê einmal im Monat besuchen und einmal pro Woche zehn Minuten am Telefon mit ihr sprechen, berichtet die Mutter: „Wir haben unter dem ständigen Druck der türkischen Polizei gelebt, sie kam jeden Monat in unser Haus. Wir haben Drohungen erhalten und sind gedemütigt worden. Mein Mann und meine beiden Söhne wurden verhaftet und gefoltert. Meinem Mann wurden sogar die Finger gebrochen. Auch unser Anwalt verhaftet und genauso behandelt. Wegen dieses ständigen Drucks und den Drohungen haben wir vor drei Monaten beschlossen, die Türkei zu verlassen und zurück nach Rojava zu kommen. Seitdem haben wir unsere Tochter nicht mehr gesehen.”

Appell an Menschenrechtsorganisationen: Türkei verstößt gegen Völkerrecht

Die Mutter von Çiçek Kobanê appelliert an die Weltöffentlichkeit: „Menschenrechtsorganisationen dürfen nicht schweigen, denn die Türkei verstößt gegen das Völkerrecht. Meine Tochter wurde nicht in der Türkei verhaftet. Sie wurde in ihrem Land verwundet und entführt. Sie wurde vor den Augen der Welt von dschihadistischen Söldnern verschleppt und der Türkei ausgehändigt. Das macht deutlich, dass die Türkei mit dschihadistischen Gruppen zusammenarbeitet und diese unterstützt. Der Prozess gegen unsere Tochter geht am 28. Juli 2020 weiter. Wir wollen, dass die Menschenrechtsorganisationen sich ihrer Situation bewusst werden und eingreifen, um ihr zu helfen, nach Hause zu ihrer Familie zurückzukehren.”