„Jin Jiyan Azadî“ verbindet alle Frauen

Die Vorsitzende des Vereins JIN im Libanon, Boushra Ali, berichtet über die Bedeutung der Frauenbefreiungsideologie der kurdischen Bewegung im Nahen Osten und Nordafrika.

Die Parole der kurdischen Freiheitsbewegung „Jin Jiyan Azadî“ (Frauen Leben Freiheit) wird mittlerweile von Frauen überall auf der Welt gerufen. Der kurdische Freiheitskampf inspiriert Menschen auf der ganzen Welt und ist zu einem universellen Kampf geworden. Im ANF-Interview äußert sich Boushra Ali, Vorsitzende des im Libanon aktiven Vereins JIN, zur universellen Bedeutung der im kurdischen Freiheitskampf geschaffenen Werte und Konzepte. Das Interview wurde im Rahmen der Internationalen Frauenkonferenz in Berlin Anfang November geführt.


Könnten Sie uns von Ihrer Arbeit für Frauenbefreiung im Nahen Osten berichten und Ihre weiteren Ziele erläutern?

Die Frage der Frauenbefreiung ist eine historische und strategische Frage. Rêber Apo [Abdullah Öcalan] hat in seinen Verteidigungsschriften mehrfach erklärt, das 21. Jahrhundert werde das Jahrhundert der Frauen sein. Alle Entwicklungen im Nahen Osten bestätigen dies. Vor allem die von Frauen geführten Serhildan (Aufstände) der letzten 15 Jahre im Nahen Osten zeigen, dass diese Zeit von der Freiheit der Frauen geprägt ist. Wir, die Frauenvereinigung und die Frauenbewegung Kurdistans, führen viele Aktionen und gemeinsame Arbeiten mit den Frauen im Nahen Osten durch. Wir haben eine Initiative für den Kampf gegen Besatzung und Femizide gegründet. 40 Organisationen aus elf Ländern beteiligen sich an der Initiative. Im Mittelpunkt stehen die Besetzung, die Femizide und der gemeinsame Kampf. Wir haben zahlreiche Arbeiten, Diskussionsrunden und Schulungen organisiert. Zusätzlich zu Aktionen führen wir auch kontinuierliche Arbeiten zu diesen Themen durch.

Letztes Jahr fand in Beirut, der Hauptstadt des Libanon, eine Frauenkonferenz statt. 200 Frauen aus 18 Ländern nahmen an dieser 2. Frauenkonferenz für den Nahen Osten und Nordafrika teil, auf der wir die NADA (Regionale Demokratische Frauenkoalition für den Nahen Osten und Nordafrika) gründeten. 500 Frauenorganisationen aus 18 Ländern des Nahen Ostens und Afrikas sind Teil von NADA. NADA fokussiert sich auf Frauenbefreiung und arbeitet auf dieser Grundlage. Außerdem wurde die Initiative ,Freiheit für Öcalan' gegründet. Die von Frauen aus neun Ländern des Nahen Ostens und Afrikas gegründete Initiative konzentriert sich auf die Ideen und Gedanken von Rêber Apo. Es werden Schulungen zum Verständnis und zur Verbreitung der Ideologie und der Ideen von Rêber Apo durchgeführt. Auf dieser Grundlage führen wir unsere Arbeit durch, um für die Parole „Jin Jiyan Azadî“ einzutreten.

Welche Erwartungen haben die Frauen, mit denen Sie arbeiten oder zu denen Sie Kontakt haben?

Die Frauen des Nahen Ostens und Nordafrikas bringen zum Ausdruck: Wenn es eine Hoffnung gibt, dann liegt sie in der Frauenbefreiungsbewegung Kurdistans, denn sie hat alternative und strategische Projekte. Dies ist auch ein Verdienst der Ideen und Gedanken von Rêber Apo. Frauen sehen die Ideen und Gedanken von Rêber Apo als Alternative. Es gibt jetzt in dieser Hinsicht ein Erwachen unter den Frauen. Als Frauenbewegung Kurdistans müssen wir alle Frauen zusammenbringen und den Dialog aufnehmen. Die einzige Bedingung ist der Glaube an die Werte der Demokratie, Gleichheit und Gerechtigkeit.

Auf der Konferenz in Berlin wurde auch über den Frauenkonföderalismus diskutiert. Welche Probleme stehen der Entwicklung eines universellen Netzwerks für die Organisierung der Frauen im Weg?

Der erste Schritt bei der oben beschriebenen Arbeit war der Beitritt zum Weltverband der demokratischen Frauen. Es gibt viele Probleme. Wir diskutieren diese Probleme unter uns. In einigen Frauenorganisationen gibt es noch alte dogmatische Vorstellungen. Beispielsweise gibt es die Idee, dass zuerst die Freiheit des Landes und dann die Freiheit der Frauen kommen müsse. Zu diesen Themen werden bestimmte Diskussionen geführt, und Schritt für Schritt erzielen wir wirksame Ergebnisse.

Eine der größten Schwierigkeiten, mit denen wir konfrontiert sind, sind die von außen gegründeten zivilen Frauenorganisationen und diejenigen, die ihre Arbeit im Rahmen von solchen Projekten durchführen. Es gibt auch Organisationen, die Geld erhalten, sich so finanzieren, und auf dieser Grundlage arbeiten. Einige, aber nicht alle, haben weder eine Strategie noch ein Projekt für Frauen. Sie arbeiten hauptsächlich für diejenigen, die sie finanzieren. Dies stellt ein sehr ernstes Problem dar, wenn die Freiheit der Frauen als Grundlage genommen werden soll.

Das wurde zwar bis zu einem gewissen Grad durchbrochen, aber es gibt immer noch Probleme bei der Anerkennung der Idee und der Philosophie der Freiheit der Frau im Sinne der Philosophie von Rêber Apo. Wir bemühen uns intensiv darum, die Idee und Philosophie der Freiheit unter den Frauen zu verbreiten. Ich kann sagen, dass wir immer wieder diese Probleme haben. Wir diskutieren ständig über deren Lösung.

Der türkische Staat greift gezielt Frauen in West-, Süd- und Nordkurdistan an. Wie können sich Frauen schützen?

Auch die Frage der Selbstverteidigung von Frauen ist eines der Themen, die wir diskutieren. Alle Frauenorganisationen, mit denen wir zusammenarbeiten, sind sich einig, dass der Kampf für die Befreiung der Frau ein internationaler Kampf ist. Die Angriffe auf Frauen sind überall gleich. Viele unserer wertvollen Freundinnen, von Hevrîn Xelef bis Nagihan Akarsel, wurden vom faschistischen türkischen Staat ermordet. Im Sudan, im Jemen, in Libyen und in Tunesien hingegen haben es islamistische Banden auf Vorreiterinnen abgesehen. In diesem Sinne handelt es sich um einen gemeinsamen Angriff. Alle zielen auf unsere Vorreiterinnen ab. Auf unserer letzten NADA-Tagung, insbesondere anlässlich des 25. Novembers, dem Tag gegen Gewalt an Frauen, haben wir den Slogan „Nein zu den Angriffen auf unsere Vorreiterinnen“ zu unserer Grundlage gemacht. Wir werden unsere Arbeit unter dieser Parole und der Parole „Jin Jiyan Azadî“ fortsetzen.

Wir sind uns einig, dass der türkische Staat nicht nur eine Gefahr für kurdische Frauen, sondern für alle Frauen im Nahen Osten und Nordafrika darstellt. Wir müssen Entscheidungen darüber treffen, wie wir gemeinsam dagegen vorgehen können. Wir haben vor, sowohl uns als auch die Frauen allgemein für dieses Thema zu sensibilisieren.

Der türkische Staat setzt chemische Waffen gegen die Guerilla ein. Was möchten Sie zu diesem Thema sagen?

Als Initiative gegen die Besatzung und Femizid haben wir unsere Haltung zu diesem Thema deutlich gemacht und eine gemeinsame Erklärung mit allen an der Initiative beteiligten Organisationen abgegeben. Es wurde sich in einem Schreiben, in dem ein Verbot aller chemischen Waffen gefordert wurde, an die internationalen Organisationen gerichtet. Diese Erklärung wurde von der NADA gebilligt. Auf diese Weise wurde eine Botschaft verbreitet und es wurden Veranstaltungen abgehalten. Wie alle Frauen, mit denen wir zusammengearbeitet haben, haben wir eine klare Haltung gegen chemische Waffen bezogen und entsprechende Aktivitäten durchgeführt, um das Bewusstsein von Frauen für dieses Thema zu schärfen. Unsere Arbeit hierzu dauert an.

Welche Botschaft möchten Sie anlässlich des bevorstehenden 25. November, dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, übermitteln?

Als Regionale Demokratische Frauenkoalition für den Nahen Osten und Nordafrika haben wir unsere Pläne gemacht: Wir sagen „Nein zu Gewalt, Massakern an Frauen und Angriffen auf unsere Vorreiterinnen“, wir sagen „Jin Jiyan Azadî“. Wir nehmen diese Parolen als Grundlage und arbeiten entsprechend. Gleichzeitig haben wir alle unsere Veröffentlichungen und Positionierungen in Verbindung mit der Frauenrevolution in Rojhilat gebracht. In diesem Sinne ist „Jin Jiyan Azadî“ auch eine Referenz für uns.