Istanbuler Frauenverein „Kaktüs“ von Polizei gestürmt

Die türkische Polizei hat den Frauenverein „Kaktüs“ in Istanbul gestürmt, mindestens elf Aktivistinnen wurden festgenommen. Eine Woche vor dem internationalen Kampftag gegen Gewalt an Frauen ziehen die Behörden die Repressionsschraube an.

Die türkische Polizei hat den Istanbuler Frauenverein „Kaktüs“ gestürmt. Mindestens elf Aktivistinnen sind festgenommen worden, darunter auch führende Vereinsmitglieder. Eine Woche vor dem internationalen Kampftag gegen Gewalt an Frauen am 25. November drehen die Behörden ihre Repressionsschraube gegen organisierte Frauen weiter an.

Die Razzia in den Vereinsräumlichkeiten im asiatischen Stadtteil Kadıköy ereignete sich am Donnerstagabend. Zu den Hintergründen machte die Polizei bislang keine Angaben, es wird jedoch ein Zusammenhang mit geplanten Protesten in der kommenden Woche vermutet. Unter den Festgenommenen befinden sich bekannte Persönlichkeiten, darunter die Rechtsanwältin und Ko-Vorsitzende der Sozialistischen Partei der Unterdrückten (Ezilenlerin Sosyalist Partisi, ESP), Özlem Gümüştaş, die Sprecherin der Sozialistischen Frauenräte (SKM), Çiçek Otlu, Vereinsmitbegründerin Tanya Kara sowie die Journalistin und ETHA-Korrespondentin Elif Bayburt.

Die ESP teilte mit, dass die Razzia im Verein und die anschließenden Festnahmen „äußerst brutal“ durchgeführt worden seien. „Es gibt nichts, das uns davon abhalten könnte, von Folter zu sprechen. Doch diese revolutionären, sozialistischen Frauen antworteten den gewalttätigen Polizisten mit den Worten: ‚Jin, Jiyan, Azadî‘ und ‚Der Wille der Frauen wird die von Männern dominierte faschistische Ordnung stürzen‘“, hieß es in der Mitteilung.

Zahlreiche Frauenorganisationen verurteilten die Festnahmen und forderten die Behörden auf, alle Betroffenen sofort freizulassen. „Der Widerstand der Frauen lässt sich durch Unterdrückung und Inhaftierung nicht entmutigen, lasst sie umgehend frei!“, schrieb die Frauen-Kommission der Juristenvereinigung ÖHD, zu deren Mitgliedern die ESP-Vorsitzende Özlem Gümüştaş gehört. Die HDP-Abgeordnete Dersim Dağ sagte, die Razzia bei Kaktüs sei ein „Zeichen der Angst“ des Regimes vor kämpfenden Frauen. „Das Vorgehend ist von strategischer Natur, denn freie und politisch aktive Frauen sind gefährlich für autoritäre Regime. Diese Festnahmen kurz vor dem 25. November sind nichts anderes als ein patriarchaler Backlash“, so die Abgeordnete.

Ein Ort weiblicher Sichtweisen und feministischer Ideen: Kaktüs

Der Frauenverein Kaktüs (dt. Kaktus) wurde im Februar 2020 von Schülerinnen und Studentinnen gegründet. Die Aktivistinnen wollen frauenspezifische Themen und Probleme in der Türkei sichtbar machen und Frauensichtweisen in die Öffentlichkeit einbringen. Ein besonderes Anliegen ist der Kampf gegen patriarchale Gewalt und Selbstverteidigung. Kaktüs versteht sich als Freiraum, der Frauen und Mädchen und als ein Ort der Frauenkultur, der Begegnung und des Austauschs und als Ort weiblicher Sichtweisen und feministischer Ideen, als Ort von Frauen für Frauen bzw. Mädchen für Mädchen. Neben regelmäßigen Workshops und kulturellen Veranstaltungen, Sprach- und Yogakursen bietet Kaktüs auch eine Frauenbibliothek, Kunstkurse, Seminare zu Film und Fernsehen, feministische Bildungsveranstaltungen und Workshops für eine effektive Selbstbehauptung und Selbstverteidigung für Frauen und Mädchen.