HDP-Frauen protestieren gegen Vollzugsreform

In zahlreichen Städten Nordkurdistans und der Türkei haben Mitglieder des HDP-Frauenrats gegen die Vollzugsreform protestiert. Inzwischen mehren sich Berichte über entlassene Straftäter, die erneut Gewalttaten begangen haben.

In Dutzenden Städten in Nordkurdistan und der Türkei haben Frauen auf Aufruf des Frauenrats der Demokratischen Partei der Völker (HDP) gegen die verabschiedete Reform des Strafvollzugsgesetzes protestiert. Durch die von der AKP/MHP-Regierungskoalition ins Parlament eingebrachte Reform, die als „verdeckte Amnestie für Regierungsanhänger“ bezeichnet wird, sind Tausende Gefangene freigelassen worden oder in den offenen Vollzug gekommen. Explizit ausgenommen von der Reform sind politische Gefangene. Eine unbekannte Anzahl an Straftätern, die Gewalt an Frauen begangen haben, ist auf freien Fuß gesetzt worden.

Frauenorganisationen berichten von zahlreichen Fällen, in denen verurteilte Gewalttäter bereits vor ihrer Entlassung Frauen telefonisch mit ihrer Rückkehr gedroht haben. In den Medien wurde über mehrere Fälle berichtet, in denen entlassene Straftäter erneut Gewalt angewendet haben. Ein Beispiel ist Müslüm Aslan, der vor einem Jahr verhaftet wurde, weil er seine Frau Rukiye mit Messerstichen verletzt hatte. Nach seiner durch die Gesetzreform ermöglichten Entlassung nahm er seiner getrennt lebenden Frau in Dilok (Antep) die drei gemeinsamen Kinder weg und brachte sie in sein Elternhaus. Dort prügelte er seine neunjährige Tochter Ceylan zu Tode.

Die HDP-Frauen forderten neben dem Schutz vor Gewalttätern auch die Freilassung der politischen Gefangenen. Eine vor dem D-Typ-Gefängnis in Amed (Diyarbakir) geplante Kundgebung wurde von der Polizei verhindert. Die Aktivistinnen wichen nach Bağlar aus, wo sie vor dem Kreisverband der HDP eine Erklärung verlasen und auf die Gefahr für die Gefangenen durch die Corona-Pandemie hinwiesen.

Auch vor dem Frauengefängnis Bakirköy in Istanbul drohte die Situation zu eskalieren, als die Polizei die Verlesung einer Erklärung unterbinden wollte. Letztendlich konnte die HDP-Abgeordnete Hüda Kaya die Erklärung vortragen. Eine Kundgebung vor der Haftanstalt Gebze wurde von der Polizei verhindert.

Auch in zahlreichen weiteren Städten konnten Presseerklärungen nur in den Räumlichkeiten der HDP-Zentralen abgegeben werden.