Hamburg: Anti-Feminizid-Netzwerk ruft zu Kundgebung auf

Feminizid, die geschlechtsspezifische Tötung von Frauen oder weiblich gelesenen Personen, ist eine der verbreitetsten Menschenrechtsverletzungen weltweit. In Hamburg gab es in diesem Jahr bereits zehn vollendete und sechs versuchte Feminizide.

In Deutschland starben in diesem Jahr bereits mindestens 82 Frauen durch die Hand eines Mannes. Diese Art der Gewalt wird als Femizid oder Feminizid bezeichnet. Ein Mord an einer Frau, aufgrund ihres Geschlechts. Das heißt, dass fast jeden dritten Tag eine Frau in Deutschland durch patriarchale Gewalt stirbt. Aber auch, dass es jeden Tag einen polizeilich registrierten Tötungsversuch an einer Frau gibt.

In Hamburg gab es in diesem Jahr bisher mindestens zehn vollendete und sechs versuchte Feminizide. Diese Zahl legte das Anti-Feminizid-Netzwerk am Sonntag in einer Mitteilung vor. Das Anti-Feminizid-Netzwerk hat sich im Dezember 2022 gegründet, um gegen Feminizide und patriarchale Gewalt zu kämpfen. Als Zusammenschluss verschiedener feministischer Gruppen und Einzelpersonen hat das Netzwerk es sich zur Aufgabe gemacht, auf jeden Feminizid, der in Hamburg begangen wird, politisch zu reagieren. Dafür rufen sie jedes Mal nach einem Mord zu einer Kundgebung auf ihrem selbsternannten Widerstandsplatz gegen Feminizide auf. Ihr politisches Ziel ist es, patriarchale Gewalt sichtbar zu machen. Sie möchten verdeutlichen, vor was für einem massiven politischen Problem die Gesellschaft steht, welches sich nur gemeinsam bekämpfen lässt.

Die letzten drei Feminizide in Hamburg ereigneten sich laut dem Netzwerk am 30. August sowie am 21. und 26. September. Es geht jedoch davon aus, dass die Gesamtanzahl von geschlechtsspezifischen Tötungen von Frauen, Lesben, inter-, nicht-binären, trans- und agender-Personen (Flinta*) sowohl in Hamburg als auch in Deutschland deutlich höher liegt. Konkrete Aussagen seien aber kaum möglich, da geschlechtsspezifische Gewalt an Frauen oder weiblich gelesenen Personen in der breiten Öffentlichkeit, in den Medien und auch in den Kriminalstatistiken nicht als strukturelles Phänomen verstanden, sondern zumeist als Privatsache und Einzelfall verschleiert und legitimiert wird. „So kann es aufgrund dieses Defizits leider vorkommen, dass auch wir vom Anti-Feminizid-Netzwerk erst mit Verspätung von Feminiziden, die sich in Hamburg – und Umgebung – ereignet haben, erfahren, und wir auf diese erst mit Verspätung reagieren können.“

Die nächste Kundgebung des Anti-Feminizid-Netzwerk findet daher am kommenden Mittwoch, dem 4. Oktober, auf dem Widerstandsplatz gegen Feminizide (Alma-Wartenberg-Platz) in Ottensen/Altona statt, Beginn ist um 18:30 Uhr. Das Anti-Feminizid-Netzwerk weist in diesem Zusammenhang auf die Verantwortung der Medien in der Sichtbarmachung des Problems der Tötung von Frauen hin. Hierzu wurde 2021 von Christine E. Meltzer die Studie „Tragische Einzelfälle? Wie Medien über Gewalt gegen Frauen berichten“ veröffentlicht. Das Netzwerk fordert Medienschaffende auf, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und die Verantwortung ihrer Berichterstattung ernst zu nehmen.

Über Femizid und Feminizid

Dazu erklärt das Netzwerk: Um die strukturellen Ursachen dieses Problems sichtbar zu machen, hat die Feministin Diana E.H. Russel den Begriff Femizid eingeführt, der die Tötung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts beschreibt. In den 1990ern wurde der Begriff von der mexikanischen Anthropologin Marcela Lagarde durch den Begriff „FemiNIzid“ ersetzt. Im Kontext der in Mexiko verbreiteten Straflosigkeit schließt dieser Begriff die Rolle des Staates mit ein. Auch in Deutschland trägt der Staat Verantwortung: Bei der Prävention von Feminiziden und bei der Rechtsprechung. Weswegen wir die Verwendung des Begriffs nach der Definition von Lagarde auch in den Medien befürworten. Denn wie die Forschung zeigt, handelt es sich nicht um bedauerliche Einzelfälle, sondern um ein strukturelles und gesamtgesellschaftliches Problem.