Widerstandsplatz gegen Feminizide in Hamburg eröffnet

Der Alma-Wartenberg-Platz in Hamburg ist zum „Widerstandsplatz gegen Feminizide“ ausgerufen worden. Damit wurde ein Ort geschaffen, Feminizide als auch feministischen Widerstand gegen eben jene Gewalt sichtbar zu machen.

Trotz kalter Temperaturen erschienen 80 Menschen am Sonntag zur Eröffnung des Widerstandsplatzes gegen Feminizide im Hamburger Bezirk Altona. Eingeladen hierzu hatte das vor zwei Monaten gegründete „Anti-Feminizid-Netzwerk“. Der Platz, der sich offiziell Alma-Wartenberg-Platz nennt, war mit vielen Blumen geschmückt. Rote Schuhe, eine Wäscheleine mit roter Kleidung und über 100 Kerzen sollten auf die Opfer von Feminiziden aufmerksam machen. Die Kundgebung war kraftvoll und die Redebeiträge unmissverständlich. Die Redner:innen wiesen auf die erschreckenden Zahlen der Feminizide in Deutschland hin. So gibt es in Deutschland jeden Tag einen versuchten Feminizid, alle zweieinhalb Tage wird eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner ermordet. Die tatsächlichen Zahlen von allen Feminiziden, also auch jenen außerhalb von Partnerschaften, sind unbekannt.

Im Dezember sind diese erschreckenden Zahlen nach Recherche feministischer Organisationen bereits überschritten worden. Innerhalb der letzten zwölf Tage hat es bereits vier Feminizide und vier versuchte Feminizide gegeben, so die Rednerin. In Hamburg liegt die Zahl der seit Anfang des Jahres registrierten Feminizide bei acht. Die Dunkelziffer wird allerdings weitaus höher geschätzt. „Solche Zusammenkünfte wie heute sind wichtig, damit wir realisieren, dass wir nicht alleine sind und gemeinsam Widerstand organisieren“, so die Rednerin der Gruppe Rosa.

Feminizide: Strukturelle Gewalt eines Systems

Besonders berührt waren die Teilnehmer:innen von zwei Redebeiträgen, die von Angehörigen ermordeter Frauen kamen. „Dass sie so aus dem Leben gerissen wurde, ist einfach nicht fair, und dass wir, Freunde und Familie, es nicht verhindern konnten, ist furchtbar und manchmal schwer auszuhalten“, sagte eine der beiden Angehörigen. „Mir ist heute klar, dass es sich bei dieser Tat um strukturelle Gewalt eines Systems handelt, in dem Menschen vermittelt wird, Frauen als Objekte und den Besitz von Männern anzusehen“, erklärte die andere Angehörige. Die Gestaltung des Widerstandsplatzes mit Blumen war die Idee einer der beiden Rednerinnen.

Feminizid schließt Verantwortung und Mitschuld des Staates mit ein

Die Gruppe Tejendo Redes y Rebeldia klärte in ihrem Redebeitrag über den Ursprung des Begriffes Feminizid auf. Die südafrikanische Feministin Diana E.H. Russell habe das Wort „Femizid“ eingeführt, um die Tötung von Frauen, Lesben, intersexuellen, nicht-binären, trans und agender Personen (FLINTA*), also all jenen, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität patriarchal diskriminiert werden, zu beschreiben. In den 1990er Jahren sei der Begriff dann von der mexikanischen Anthropologin Marcela Lagarde durch den Begriff „Feminizid“ ersetzt worden. Dieser Begriff schließe die Verantwortung und Mitschuld des Staates mit ein, denn der Staat mache sich zum patriarchalen Verbündeten von Frauen- bzw. FLINTA*-Mördern, wenn die Justiz und Polizei tatenlos bleiben und die Täter im schlechtesten Fall noch decken. So würde auch in Deutschland das Problem der Feminizide kaum thematisiert werden, weder in Politik und Justiz noch in Medien und Wissenschaft, so die Rednerin.

327 Tötungen von trans, inter, nicht-binären und agender Personen

Das Queer-Anarchafeministische Kollektiv machte in einem Redebeitrag auf die hohen Zahlen der Tötung aufgrund ihres Geschlechts von trans, inter-, nicht-binären und agender Personen aufmerksam. So waren es innerhalb eines Jahres 327 Tötungen. Erschreckend daran sei, dass 95 Prozent der Getöteten trans Frauen oder transfeminine Menschen gewesen seien. 60 Prozent der Morde hätten dazu einen rassistischen Hintergrund gehabt und die Hälfte aller Opfer seien Sex-Arbeiter:innen gewesen. Auch bei trans- und gendernonkonformen Menschen sei der Mord erst das Ende von vorangegangenem Hass und Hetze.

„Feminizide stehen oft am Ende einer langen Gewaltgeschichte“, betonte die Rednerin des Hamburger Gewaltschutz-Zentrums im nächsten Beitrag. Diese Geschichte beginne mit sozialer Isolation und psychischer Gewalt, setze sich mit körperlicher Gewalt fort und ende im Tod. Seit 2018 habe sich Deutschland dazu verpflichtet, die Istanbul-Konvention zur Bekämpfung und Prävention geschlechterspezifischer Gewalt umzusetzen. Doch auch fast fünf Jahre nach Inkrafttreten des völkerrechtlichen Abkommens seien dringend notwendige Schritte zu seiner Durchführung in Deutschland immer noch nicht umgesetzt.

Beendet wurde die Zusammenkunft mit dem Hinweis, dass immer, wenn ein Feminizid in Hamburg passiert, am darauffolgenden Mittwoch um 19 Uhr auf dem Alma-Wartenberg-Platz eine Kundgebung stattfindet - „damit keiner dieser Morde unbeantwortet bleibt“. Auch außerhalb von Kundgebungen soll der Platz als Widerstandsplatz und Gedenkort sichtbar sein. Es sind alle Menschen eingeladen, den Platz regelmäßig zu besuchen und mitzugestalten, so das Anti-Feminizid-Netzwerk.