Die Vorbereitungen zum 25. November, dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, laufen auf Hochtouren. Die Nachrichtenagentur MA sprach mit der prominenten kurdischen Politikerin und Aktivistin Leyla Güven über die Entwicklung des Frauenbefreiungskampfes. Güven ist Ko-Vorsitzende des Demokratischen Gesellschaftskongresses (KCD) und erfüllt damit eine wichtige Rolle bei der Organisierung der Zivilgesellschaft.
In dem Interview erinnert Güven zunächst an die Morde an den drei kurdischen Revolutionärinnen Sakine Cansız, Leyla Şaylemez und Fidan Doğan im Jahr 2013 durch den türkischen Geheimdienst in Paris und an das Massaker an den drei kurdischen Politikerinnen Sêvê Demir, Pakize Nayır und Fatma Uyar durch türkische Truppen in Silopiya (türk. Silopi) im Jahr 2016. Sie sagt, hinter diesen Morden stehe die gleiche Mentalität. Wenn Frauen kämpfen, dann geraten sie in das Visier des patriarchalen Systems. Dennoch habe die Frauenbewegung niemals einen Schritt zurück gemacht. „Die Frauen müssen das System vollständig in die Hand bekommen”, so Güven und betont: „Es ist notwendig zu kämpfen, das System muss gestürzt werden und ein System in der Farbe der Frau muss aufgebaut werden. Das ist der Weg im Kampf für Demokratisierung und ein lebenswertes System.“
Güven fährt fort: „Wir weisen die Vergewaltigungskultur, die der Staat in unsere Landkreise und Städte gebracht hat, zurück. Wir weisen die Erniedrigung unserer jungen Frauen durch Polizisten und Offiziere zurück.“
„Mut ist notwendig“
Güven ruft zur Beteiligung an den Protesten zum 25. November auf und erklärt: „Die Haltung, welche die Frauen zur Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen vor Gewalt gezeigt haben, ist äußerst wichtig.“ In diesem Sinne ruft Güven zu einer breiten Beteiligung an der TJA-Kampagne „Wir verteidigen uns selbst“, auf. Sie sagt: „Denn wir reißen eine Wunde im herrschenden System auf. Wir betrachten die Rolle, die uns die Herrschenden zuweisen, nicht als Schicksal. Wir haben die Kraft und den Willen, unser Schicksal selbst zu bestimmen. Die kurdischen Frauen haben mehr als genug Mut dafür.“
„Durch moderate Haltung lässt sich die Situation nicht ändern“
Güven fährt fort: „Die Herrschenden haben unglaubliche Möglichkeiten und mit diesen greifen sie uns an. Wir werden uns aber selbst verteidigen. Wir sagen: ‚Wir trauern nicht, wir erheben uns.‘ Denn wir können hier nur etwas durch einen Aufstand verändern. Mit einer moderaten Haltung lässt sich hier nichts ändern, das wissen wir genau."
„Kein Angriff ohne Antwort“
„Wir sind im Aufstand, genau wie Sebahat Tuncel, Gültan Kişanak und viele andere kurdische Politikerinnen und Freundinnen, die im Gefängnis Widerstand leisten und für Demokratisierung und eine Änderung der Farbe der Politik kämpfen. Wir werden uns selbst verteidigen, kein Gewaltvorfall wird ohne Antwort bleiben. Die Frauen werden überall dort, wo sie sind, mit ihren eigenen Methoden die Gewalt durch Selbstverteidigung beantworten.“
„Der Wandel hat begonnen“
Die Vorkämpferin des Frauenkampfes beobachtet einen weltweiten Wandel und sagt: „Keine politische Kraft oder zivilgesellschaftliche Organisation kann mehr weiterexistieren, wenn sie den Kampf der Frauen missachtet. So wie die Kurdinnen und Kurden in der Türkei das letzte Wort haben, ist es auch bei den Frauen. Der Wandel hat begonnen.“
„Frauen haben die Straßen nie verlassen“
Güven erklärt, dass die Frauenbewegung alles daran setzt, diesen Wandel zu beschleunigen. Sie sagt: „Wir wissen, dass die AKP versucht, die Straßen am 25. November unter dem Vorwand der Pandemie zu sperren. Schon nach dem 15. Juli hatte die AKP den Ausnahmezustand ausgerufen und die Straßen nur noch für die eigenen Anhänger freigegeben. So ist es auch heute. Sie verbietet Frauen und Oppositionellen die Straßen und Plätze. Als Frauen haben wir diese Haltung aber ohnehin schon umgeworfen und dennoch die Straßen gefüllt. Am 25. November können wir einen äußerst wichtigen Aufbruch starten. Wir sind sowohl qualitativ als auch quantitativ an einem wichtigen Punkt.“
Güven ruft Frauen auf, am 25. November überall auf die Straße zu gehen.