Frauenprotest nach Anschlag in Paris: „Je suis Evîn“

In Paris haben Frauen die lückenlose Aufklärung des Anschlags von Paris mit drei Toten und drei Verletzten gefordert und der These eines rassistischen Einzeltäters widersprochen. Die kurdische Frauenbewegung lasse sich durch Morde nicht aufhalten.

Eine Woche nach dem tödlichen Anschlag von Paris haben Frauen vor dem französischen Familienministerium die lückenlose Aufklärung des Verbrechens gefordert. Zu der Protestaktion hatte die Kurdische Frauenbewegung in Europa (TJK-E) aufgerufen. Die Aktivistinnen trugen Schilder mit dem Foto der ermordeten Evîn Goyî (Emine Kara) und der Aufschrift „Je suis Evîn“.

Evîn Goyî war eine führende Persönlichkeit der kurdischen Frauenbewegung. Sie wurde im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS) verletzt und lebte seit 2019 in Europa, wo sie sich bis zuletzt für die Aufklärung der politischen Morde an Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez in Paris vor zehn Jahren einsetzte. Zusammen mit Evîn Goyî wurden der Musiker Mîr Perwer (Mehmet Şirin Aydın) und der langjährige Aktivist Abdurrahman Kızıl bei dem Anschlag am 23. Dezember getötet, drei weitere Menschen wurden verletzt.

„Je suis Evîn“

Die Kundgebung am Freitag vor dem Ministerium für Familie und Gleichberechtigung in Paris wurde mit einer Gedenkminute eingeleitet. Medya Botan, Aktivistin der TJK-E, wies in einer Rede darauf hin, dass der Anschlag im Vorfeld des Attentats vom 9. Januar 2013 stattgefunden hat und dieses nach wie vor nicht aufgeklärt sei: „Als kurdische Frauenbewegung appellieren wir an den französischen Staat und die Europäische Union: Wenn diese Massaker nicht aufgeklärt werden, machen sich Frankreich und die EU mitschuldig. Als Kurdinnen und als kurdisches Volk werden wir weiter gegen faschistische Systeme und die Vernichtungspolitik kämpfen. Niemand sollte versuchen, uns mit Morden aufzuhalten.“

Die von Frauen wie Evîn Goyî auf politischem und gesellschaftlichem Gebiet erkämpften Werte hätten bereits jetzt das 21. Jahrhundert geprägt und dieser Kampf werde entschlossen fortgesetzt, so Medya Botan.

Ayşe Yumli Yeter vom Sozialistischen Frauenverband (SKB) sagte in einer Ansprache: „Wir fordern Rechenschaft für die Kugeln, die auf Evîn abgefeuert wurden.“ Die Aktivistin wies die These von einem rassistischen Einzeltäter zurück und erklärte: „Wir glauben das nicht. Wir glauben, dass der Mörder seinen Plan im Gefängnis gemacht hat. Mit wem hat er diesen Plan gemacht? Ist er in Haft von Angehörigen der türkischen Konterguerilla besucht worden? Mit wem hatte er Kontakt?“ Frankreich sei verpflichtet, diese Fragen aufzuklären. Der französische Staat arbeite jedoch mit dem türkischen Regime zusammen und habe bis heute nichts unternommen, um die Bombardierung von Krankenhäusern, Schulen und Getreidesilos in Rojava und die fortgesetzten Chemiewaffenangriffe der türkischen Armee in Südkurdistan zu stoppen. „Warum sind die Schüsse auf Evîn, Mîr Perwer und Abdurrahman zugelassen worden? Frankreich kollaboriert mit dem türkischen Kolonialismus“, so die SKB-Vertreterin.

Weitere Reden wurden von einer CNT-Vertreterin und einer Sprecherin der Französischen Frauenkoordination gehalten. In den Reden wurde der Angriff auf das Ahmet-Kaya-Kulturzentrum und zwei weitere kurdische Einrichtungen als gezielter Terroranschlag bezeichnet und dem kurdischen Volk Solidarität zugesichert. Die Kundgebung endete mit der Parole „Jin Jiyan Azadî“ (Frau Leben Freiheit).