Frauenprotest in Istanbul: „Für unser Leben im Aufstand“

In Istanbul haben Frauen gegen Femizide protestiert und die Regierung, die Justiz und die Sicherheitskräfte dafür verantwortlich gemacht. Frauenmörder könnten sich darauf verlassen, nicht ernsthaft sanktioniert zu werden, kritisierten die Aktivistinnen.

Die Kampagnengruppe „Istanbul-Konvention anwenden!“ hat am Anleger im Istanbuler Stadtbezirk Kadiköy gegen die zunehmenden Femizide protestiert. Die Kundgebung wurde von einem großen Polizeiaufgebot belagert. „Wir sind für unser Leben im Aufstand“, lautete die zentrale Botschaft der Aktivistinnen, die Bilder der Frauenmörder Mustafa Murat Aydın und Ümitcan Uygun trugen und auf Transparenten den Rückzug der Türkei aus dem Frauenschutzabkommen bei gleichzeitiger Zunahme von Gewalt gegen Frauen anprangerten. „Stoppt nicht die Frauen, stoppt die Morde!“, forderten die Aktivistinnen der Kampagnengruppe. Weitere Parolen lauteten „Nicht Scheidungen verhindern, Morde verhindern!“, „Männer schlagen zu und der Staat schützt sie“ und „Wir wollen keine tödliche Liebe!“.

Mit unserer Wut auf der Straße“

Die Erklärung der Gruppe wurde von Havva Cuştan vorgetragen. Die Aktivistin erinnerte an die 21-jährige Studentin Azra Gülendam Haytaoğlu, die vergangene Woche von dem Immobilienmakler Mustafa Murat Aydın in Antalya vergewaltigt und ermordet worden ist, und machte die Regierung, die Justiz und die Sicherheitskräfte dafür verantwortlich. Frauenmörder könnten sich darauf verlassen, nicht ernsthaft sanktioniert zu werden und im Falle einer Verhaftung das Gefängnis nach wenigen Monaten verlassen zu können.

Havva Cuştan zählte weitere Femizide der letzten Tage auf: Emine Gökkiz, die am 2. August in Maraş tot in einem Wald gefunden wurde, und Esra Hankulu, die tot in der Wohnung von Ümitcan Uygun entdeckt wurde, der wiederum Hauptverdächtiger im Todesfall einer weiteren Frau, Aleyna Çakır, ist.

„Aus diesem Grund sind wir Frauen heute mit unserer Wut und unserem Aufstand auf den Straßen. Wir wissen, dass mindestens ebenso wie Täter auch diejenigen daran Schuld haben, die über Nacht die Istanbul-Konvention aufkündigen, damit Gewalttäter, Vergewaltiger und Mörder ermutigen und Gewalt gegen Frauen als tolerierbar ansehen, während wir jeden Tag in diesem Land ermordet und mit Männergewalt konfrontiert sind. Wir kennen die Täter und wir kennen diejenigen, die sich schützen und reinwaschen“, hieß es weiter in der Erklärung.

Frauenmorde sind keine Einzelfälle

Morde an Frauen seien politisch, erklärte Havva Cuştan: „Wir sagen es noch einmal: Wir sind für alle ermordeten Frauen im Aufstand, wir sind für unser Leben im Aufstand, wir sind gegen Täterschutz und männliche-staatliche Gewalt im Aufstand. Wir sind für Azra, Emine, Esra auf der Straße! Wir sind Frauen, die zu Hause, auf der Straße, an der Uni, bei der Arbeit Gewalt ausgesetzt sind und durch die Aufhebung der Istanbul-Konvention und die Straffreiheit der Täter für vogelfrei erklärt werden. Männliche Gewalt ist kein Einzelfall, Frauenmorde sind politisch.“

Nach der Verlesung der Erklärung wollten die Aktivistinnen geschlossen zur Süreyya-Oper laufen, wurden jedoch von der Polizei aufgehalten. Trotz der Polizeiblockade liefen die Frauen Parolen rufend bis zum Kalkedon-Platz. Als sich die Versammlung auflöste, wurde eine Aktivistin festgenommen.