Polizeiliche Sperrungen: Mai-Blockade am Taksim-Platz

Gemäß der Entscheidung des Istanbuler Gouverneursamts sind Versammlungen am 1. Mai auf dem Taksim-Platz auch in diesem Jahr nicht gestattet. Der Bereich um den Taksim-Platz ist mit Polizeiabsperrungen abgeriegelt.

Jährliches Demonstrationsverbot

Der Taksim-Platz im zentralen Istanbuler Stadtteil Beyoğlu wurde im Vorfeld des Internationalen Tags der Arbeit, am 1. Mai von der Polizei abgeriegelt. Alle Zufahrtswege wurden mit Metallbarrieren gesperrt. Seit Jahren gilt auf dem Platz, der am 1. Mai 1977 Tatort eines Massakers wurde, ein Demonstrationsverbot. Zahlreiche Menschen, die in diesem Jahr zu Versammlungen auf dem Taksim-Platz aufgerufen hatten, wurden mittlerweile festgenommen.

„Unsere Forderung bleibt Taksim“

Der Verband der Revolutionären Arbeitergewerkschaften (DISK), die Konföderation der Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes (KESK), die Türkische Ingenieur- und Architektenkammer (TMMOB) und der Türkische Ärztebund (TTB) gaben kürzlich bekannt, dass der diesjährige Internationale Tag der Arbeit im Istanbuler Stadtteil Kadıköy gefeiert wird.

Arzu Çerkezoğlu, die Vorsitzende des DISK, erklärte, dass sie wie in den Vorjahren einen Antrag auf Feierlichkeiten am Taksim-Platz gestellt hätten, die Behörden jedoch weiterhin eine restriktive Haltung einnehmen. „Der Kadıköy-Platz ist einer der Orte, an denen wir in der Vergangenheit den 1. Mai gefeiert haben. Dieses Jahr werden wir, ohne von unserer Forderung nach Taksim abzuweichen, gemeinsam auf dem Istanbuler Kadiköy-Platz stehen“, sagte Çerkezoğlu in einer Erklärung vom 19. April.

Polizeiliche Mai-Blockade

Nach dem Verbot des Gouverneurs begann die Polizei am gestrigen Mittwoch mit dem Aufbau von Absperrungen rund um den Taksim-Platz, den Gezi-Park und das Denkmal der Republik.

Darüber hinaus werden die zum Taksim-Platz führenden Straßen ab den frühen Morgenstunden des 1. Mai für den Fahrzeug- und Fußverkehr gesperrt. Einige Absperrungen wurden bereits um den Platz herum errichtet, andere werden in Bereitschaft gehalten.

Rechtmäßigkeit des Verbots von Verfassungsgericht verneint

Eigentlich hat das Verfassungsgericht Ende 2023 entschieden, dass ein Demonstrationsverbot am Taksim-Platz das Recht auf friedliche Versammlung verletze. In dem Urteil hieß es derzeit: „Der Taksim ist ein Baustein von Gewerkschaftskultur und spiegelt die Existenz des kollektiven Gedächtnisses der Werktätigen wider. In diesem Sinne hat jeder Mensch, der sich als Teil dieser Kultur versteht, das Recht, am 1. Mai dort zu sein, um die Bedeutung, die der Taksim-Platz zum Ausdruck bringt, unmittelbar zu erleben und die gesammelten Erfahrungen an weitere Generationen weiterzugeben.“ Dieses Urteil hinderte die Behörden auch im vergangenen Jahr nicht daran, rechtswidrige Polizeimaßnahmen anzuordnen und einen Protest auf dem Taksim-Platz brutal zu unterbinden.

Taksim-Massaker

Der Taksim-Platz wurde am 1. Mai 1977 Schauplatz eines Massakers. Weit über 500.000 Menschen aus verschiedenen Provinzen des Landes nahmen seinerzeit an der von der DISK organisierten Demonstration zum Tag der Arbeit teil. Viele von ihnen hatten den Platz noch nicht einmal betreten, als die ersten Schüsse fielen. Heckenschützen hatten plötzlich das Feuer auf die Menge eröffnet. Die Sicherheitskräfte griffen daraufhin mit Panzerwagen, Gasgranaten und Wasserwerfern an. Die Zahl der Opfer ist noch immer umstritten; offiziellen Angaben zufolge wurden 34 Menschen getötet und etwa 200 verletzt, linke Organisationen sprechen von 37 Toten. Einige Menschen blieben liegen, andere rannten davon. Viele wurden in Ecken gedrängt und von Panzerwagen überfahren. Im Zuge der Niederschlagung wurden mehr als 500 Menschen festgenommen. Als Täter des Massakers werden bis heute Scharfschützen der NATO-Konterguerilla Gladio vermutet.