Das Oberverwaltungsgericht der Türkei hat das Präsidialdekret zum Austritt aus der Istanbul-Konvention bestätigt und damit 220 Klagen von CHP, IYI Parti, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Einzelpersonen zurückgewiesen. Die Kläger:innen hatten die Annullierung des von Präsident Erdogan im Frühjahr erlassenen Dekrets zur Aufkündigung des internationalen Frauenschutzabkommens gefordert.
Das Präsidialamt hatte im schriftlichen Verfahren die juristische Grundlage der Klagen angezweifelt und auf sieben Seiten dargelegt, dass die Rücktrittserklärung in die Kompetenz des Präsidenten fällt und somit unabhängig von juristischer Kontrolle ist. Das Präsidialdekret verstoße nicht gegen die Verfassung. Außerdem werde der Rückzug aus dem Abkommen „keine Mängel bei der Verhinderung von Gewalt gegen Frauen“ einleiten, so die Argumentation aus dem Präsidialamt, der das Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil gefolgt ist.
Erster Austritt aus der Istanbul-Konvention
Die Istanbul-Konvention feierte dieses Jahr ihr zehnjähriges Bestehen. Sie ist auf europäischer Ebene das erste völkerrechtlich verbindliche Instrument zum Schutz von Frauen, Mädchen und LGBTI+ (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche Menschen) gegen jede Form von Gewalt. Das Abkommen verankert das Menschenrecht auf ein gewaltfreies Leben, definiert Gleichstellungsmaßnahmen und fordert finanzielle Mittel für Gewaltschutz und Gewaltprävention. Die Türkei will es am 1. Juli auf Anordnung des Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan verlassen und wäre damit das erste Land, das das Frauenschutzabkommen aufkündigt.