Hamburg: Mahnwache der Autonomen Frauenhäuser vor türkischem Konsulat

„Mit Wut im Bauch” haben Aktivistinnen der Autonomen Frauenhäuser Hamburg eine Mahnwache vor dem türkischen Konsulat abgehalten, um gegen den Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention zu protestieren.

In Hamburg haben Aktivistinnen der Autonomen Frauenhäuser diesen Donnerstag eine Mahnwache vor dem türkischen Konsulat abgehalten, um gegen den Ausstieg der Türkei aus der Istanbul-Konvention, dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, zu protestieren. Auf Deutsch und Türkisch wurde ein Statement der Autonomen Frauenhäuser vorgetragen und an Passant:innen und Menschen, die das Konsulat besuchten, verteilt. Mit kämpferischen Parolen, die gerufen wurden und auf Schildern standen, trugen die Teilnehmerinnen ihre Wut gegen das Patriachat auf die Straße und betonten ihre Solidarität mit den Frauen und LGBTQI+ (lesbisch, schwul, bisexuell, trans, inter und queer) in der Türkei. Der von Präsident Recep Tayyip Erdogan angeordnete Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention wird am 1. Juli offiziell vollzogen. 

Frauen werden durch Rückzug männlichen Gewalttaten ausgeliefert

„Wir sind außer uns vor Empörung und verurteilen den Ausstieg der Türkei aus der Istanbul-Konvention aufs Schärfste! Mit dem Ausstieg der Türkei aus der Istanbul-Konvention werden Frauen und Mädchen in der Türkei männlichen Gewalttaten erneut und weiterhin ausgeliefert und mit der Begründung, die ‚Vorgaben der Istanbul-Konvention passen nicht zur türkischen Tradition’ noch mit traditionellen Werten belegt und gerechtfertigt!“, lautete es in der Erklärung der Autonomen Frauenhäuser. Weiter hieß es: „Dies geschieht in einer Zeit, in der die Zahl der öffentlich gewordenen Femizide in der Türkei massiv ansteigt. Amnesty for Women gab im Juli 2020 bekannt, dass ‚die Zahl der Frauenmorde zwischen 2015 und 2019 um ca. 60 Prozent von 303 in 2015 auf 474 Fälle in 2019 angestiegen ist’. Zu Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 stieg die Zahl der Gewalttaten an Frauen um 38 Prozent (!) Die Frauenrechtsorganisation KCDP berichtet von mindestens 300 öffentlich gewordenen Morden an Frauen im Jahr 2020 – wobei die Dunkelziffer um einiges höher liegen dürfte.

Gewalt gegen LGBTQI+-Community wird ebenfalls zunehmen

Es steht zu befürchten, dass mit Ausstieg der Türkei aus der Istanbul-Konvention - trotz dieser erschreckenden und empörenden Zahlen der Verbrechen gegen Frauen und Mädchen - die Schutzräume für sie verringert oder gar abgeschafft werden! Es steht ebenso zu befürchten, dass die Rahmenbedingungen, die den Schutz von Frauen und Mädchen sicherstellen und dokumentieren sollen, immer enger werden. Zwangsverheiratung, Vergewaltigung in und außerhalb der Ehe werden von Staats wegen legitimiert. Straffreiheit für die Verbrechen an Leib und Leben gegen Frauen und weiteren Femiziden wird Tür und Tor geöffnet!

Das gleiche gilt für Morde an homosexuellen, trans-, inter- und queeren Personen. Auch gegen die LGBTQI+-Community wird die Gewalt gegen Leib und Leben zunehmen und ohne strafrechtliche, persönliche oder gesellschaftliche Konsequenzen für die Täter bleiben. Für die queere Community als besonders vulnerabler Gruppe hat der Austritt aus der Istanbul-Konvention damit ähnlich gravierende und lebensbedrohliche Folgen.

Perfide Begründung der Staatsführung

Umso mehr als die türkische Staatsführung für den Austritt aus der Istanbul-Konvention als perfide Begründung anführt: diese sei ‚von einer Gruppe homosexueller Menschen gekapert worden, um Homosexualität zu normalisieren’ (Erdogans Pressestelle, gelesen auf Tagesschau/ARD-Studio Istanbul, 23. März 2021). Weitere Verfolgung von LGBTQI+ Personen wird noch zusätzlich legitimiert und die queere Community immer weiter ausgegrenzt. So werden nicht nur Frauen und Mädchen weiterer Gewalt ausgeliefert, sondern gleichzeitig und absichtsvoll auch die LGBTIQ+ -Community diffamiert und ausgeliefert!

Weitere autoritär regierte EU-Staaten wie Ungarn, Tschechien, Polen und die Slowakei, die bereits seit Monaten die Rechte von Frauen und Mädchen, Lesben, Schwulen, trans-, inter- und queeren Personen aushöhlen, stehen bereits in den Startlöchern, um es der türkischen Regierung gleichzutun.

Wir fordern die Bundesregierung, den Europarat und das Europaparlament auf, unverzüglich die Rücknahme dieses Beschlusses und die Einhaltung der Menschenrechte für alle Menschen einzufordern.

Solidarität mit den in der Türkei lebenden Frauen, Lesben, Schwulen, trans-, inter- und queeren Personen!!! Feuer und Flamme dem Patriarchat!

Mit Wut im Bauch - Die Autonomen Hamburger Frauenhäuser“

Autonome Frauenhäuser

Die Autonomen Hamburger Frauenhäuser gibt es seit 1977. Die Arbeit basiert auf den politischen Grundsätzen von feminstischen und antirassistischen Denken und Handeln, ohne konfessionelle oder parteipolitische Bindung. In den Vereinen arbeiten multiprofessionelle Teams in Selbstverwaltung und internationaler Zusammensetzung.

Neben der Schaffung und Erhaltung von Zufluchtsmöglichkeiten wird mit den gewaltbetroffenen und bedrohten Frauen ein Weg in ein selbstbestimmtes und gewaltfreies Leben erarbeitet.

Es gibt inzwischen sechs Autonome Frauenhäuser und die 24/7 - die Notaufnahmestelle der Hamburger Frauenhäuser. Kontakt: hamburgerfrauenhaeuser.de