Zum zehnten Geburtstag der Istanbul-Konvention gegen Gewalt an Frauen hat die Menschenrechtsorganisation Amnesty International die Türkei zur Kehrtwende aufgefordert. Der angekündigte Austritt Ankaras werde „katastrophale Auswirkungen auf die Rechte von Frauen und Mädchen in der Türkei haben”, erklärte Dominique Renault, Expertin für Menschenrechtsverletzungen an Frauen bei Amnesty International in Deutschland, am Montag in Berlin.
„Wir fordern die türkischen Behörden auf, ihre Entscheidung unverzüglich rückgängig zu machen und Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Rechte von Frauen und Mädchen, aber auch von LGBTI-Personen, zu ergreifen”, sagte Renault. Das Frauenschutzabkommen sei angesichts eines deutlichen Anstiegs von Berichten häuslicher Gewalt im Zuge der COVID-19-Einschränkungen heute wichtiger denn je.
Die Istanbuler Konvention wurde vom Europarat als völkerrechtlicher Vertrag ausgefertigt und schafft einen europaweiten Rechtsrahmen, um Gewalt gegen Frauen zu verhüten und zu bekämpfen. Das am 11. Mai 2011 in der Bosporusmetropole unterzeichnete Abkommen gilt als Meilenstein im Kampf gegen patriarchale Gewalt und verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, geschlechtsspezifische Gewalt zu bekämpfen sowie die Präventions- und Hilfsangebote zu verbessern. Die Türkei war der erste von 13 Erstunterzeichnerstaaten, der die Konvention ratifizierte.
Neben der Türkei kritisiert Amnesty International weitere Länder, die das Abkommen noch nicht unterzeichnet oder ratifiziert haben oder Anstalten zu einem Ausstieg machten. Dies dürfe von Europa nicht hingenommen werden. Die Organisation sieht die europäische Staatengemeinschaft in der Pflicht, alles daran zu setzen, dass die Istanbul-Konvention nicht durch weitere Austritte untergraben wird.
Aktionstag „Die Istanbul-Konvention rettet Leben”
„Sich von der Konvention zurückzuziehen, ist ein folgenreicher Schritt für Millionen von Frauen und Mädchen und Organisationen, die den Überlebenden von sexualisierter und häuslicher Gewalt lebenswichtige Unterstützung geben. Es sendet das Signal, dass es ihre persönliche Sicherheit und ihr Wohlergehen nicht wert sind, geschützt zu werden. Es wäre zudem ein Rückschritt, der nach internationalen Menschenrechtsnormen verboten ist”, so Renault. Amnesty International ruft für den 11. Mai zu einem internationalen Aktionstag unter dem Motto „Die Istanbul-Konvention rettet Leben” auf, um Solidarität mit Frauen, Mädchen und Aktivist:innen, die in der Türkei gegen den Austritt ihres Landes aus dem Vertrag protestieren, zu zeigen. Eine Aktionsanleitung gibt es auf der Webseite der frauenpolitischen Koordinationsgruppe.