Verurteilt wegen Separatismus-Vorwurf
Im neu aufgerollten Prozess gegen die kurdische Politikerin Sara Kaya hat es wieder eine Haftstrafe gegeben. Ein türkisches Gericht in der Provinz Mêrdîn (tr. Mardin) verhängte am Donnerstag wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“, „Volksverhetzung“ und „Amtsmissbrauch“ eine Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten gegen die 54-Jährige und ordnete gleichzeitig ihre Haftentlassung an. Kaya konnte das Gefängnis Tarsus bei Mersin bereits wieder verlassen und befindet sich seit dem Abend auf freiem Fuß.
Sara Kaya war Bürgermeisterin der kurdischen Stadt Nisêbîn (Nusaybin). 2016 wurde sie auf Betreiben des türkischen Innenministeriums abgesetzt, im Januar 2017 folgte ihre Verhaftung. Im ersten Verfahren wurde die Politikerin im Juni 2020 zu 16 Jahren Gefängnis verurteilt. Sie wurde beschuldigt, während der türkischen Militärbelagerung in Nisêbîn und anderen kurdischen Städten in den Jahren 2015-2016 im Zuge des Widerstands für die zuvor ausgerufene Selbstverwaltung die „Einheit und territoriale Integrität des Staates“ gefährdet zu haben.
Unter anderem ging es um den Vorwurf, Kaya habe Fahrzeuge der Stadtverwaltung „Mitgliedern einer Terrororganisation“ zur Verfügung gestellt“. Die Politikerin hatte die Anschuldigungen im Prozess zurückgewiesen, ihre Verteidigung sprach von einem „konstruierten Szenario“ und Freispruch gefordert. Die Staatsanwaltschaft wirkte auf eine erschwerte lebenslange Haft hin, die in der Türkei nicht selten bis zum physischen Tod dauert, legte aber keine Revision gegen das Urteil von 16 Jahren ein. Die Fraktion im Freiburger Gemeinderat „Eine Stadt für alle” ging nach dem Prozess eine Patenschaft mit Kaya ein.
Kaya wurde vor dem Gefängnis mit Blumen und „Jin Jiyan Azadî“-Rufen empfangen | TJA/X
Der Kassationshof als oberstes Berufungsgericht der Türkei kassierte schließlich das Urteil und ordnete einen neuen Prozess an. Beim letzten Verfahrenstag war Kaya gestern aufgrund eines Kommunikationsboykotts politischer Gefangener im Zusammenhang mit einer Kampagne für die Freilassung des kurdischen Vordenkers Abdullah Öcalan nicht anwesend. Ihr Verteidiger Mehmet Emin Kaya wiederholte den Vorwurf, wonach es sich bei der Anklageschrift um ein „zusammengebasteltes Konstrukt voller Widersprüche und ohne Beweise“ handele, und stellte mit Blick auf die seit über sieben Jahren andauernde Inhaftierung seiner Mandantin einen Antrag auf Strafaussetzung der Reststrafe. Dem kam das Gericht nach, verhängte allerdings ein Ausreiseverbot gegen Kaya.