Letzte Woche hatte das kurdisch-demokratische Gesellschaftszentrum Freiburg zu einer Pressekonferenz eingeladen. Die kurdische Exilpolitikerin und frühere Abgeordnete der Demokratischen Partei der Völker (HDP) Besime Konca berichtete anschaulich über die aktuellen politischen Entwicklungen in der Türkei und die Repressionswelle gegen Politiker*innen und Aktivist*innen. Mehr als 10.000 Mitglieder der HDP sind derzeit inhaftiert, in den meisten Fällen liegen keine konkrete Anklagen vor. Stattdessen werden vage „Terrorvorwürfe“ gegen die Beschuldigten formuliert, die sich auf konstruierte Indizien und Denunziationen stützen. Ömer Güneş, ein Anwalt von Abdullah Öcalan, der ebenfalls im Exil elebt, erweiterte die Sicht auf aktuelle Repressionen aus juristischer Perspektive.
Von den 65 kurdischen Kommunen, die bei den Kommunalwahlen von der HDP gewonnen wurden, werden inzwischen 47 von staatlich ernannten Zwangsverwaltern regiert. Murat Elmas, ein Cousin der seit drei Jahren inhaftierten kurdischen Politikerin und früheren Bürgermeisterin von Nisêbîn (Nusaybin) Sara Kaya, die jüngst in der Türkei wegen Terrorvorwürfen zu einer Freiheitsstrafe von 16 Jahren verurteilt wurde, erläuterte anhand ihrer Geschichte die konkreten Auswirkungen und die Bedeutung der Zwangsmaßnahmen des türkischen Staates. Es sei ein steter Angriff auf Grundlagen der Demokratie, wenn gewählte Vertreter*innen gewaltsam aus ihren Ämtern entfernt werden. Es sei aber auch ein steter Angriff auf die Demokratie, wenn türkische Regierungsvertreter in Deutschland von Merkel, Maas und Kollegen empfangen würden, ohne je mit Konsequenzen für die von ihnen begangenen Verbrechen rechnen zu müssen, so Elmas.
Sichtlich beeindruckt durch die Schilderungen entwickelte Gregor Mohlberg von der Freiburger Gemeinderatsfraktion „Eine Stadt für alle“ eine kommunale Perspektive: Die Fraktion werde zum einen eine Patenschaft für Sara Kaya übernehmen und zum anderen versuchen, weitere Mitglieder des Gemeinderats für diese Patenschaft zu gewinnen.
Sara Kaya
Der Blick auf die steigende Gewalt gegen Frauen in der Türkei, das Gesetzesvorhaben der türkischen Regierung, nach dem Vergewaltiger, die ihre minderjährigen Opfer heiraten, straffrei bleiben sollen, und Bestrebungen auf Regierungsebene, die Istanbul-Konvention zu kündigen, führte bei der Zusammenkunft in Freiburg zu einem weiteren Plan, welcher die Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene stärken kann: Die Fraktion von „Eine Stadt für alle“ will möglichst noch in diesem Herbst eine lokale Konferenz initiieren, um gemeinsame Projekte anzugehen. Zudem werden aktuelle Informationen zu Repressionen der türkischen Regierung gegen lokale Selbstverwaltungen künftig auch auf der Webseite der Fraktion veröffentlicht.