Ermittlungsverfahren gegen Mutter von Sêvê Demir

Gegen Sakine Demir, Mutter der 2016 in Silopiya im Zuge der Ausgangssperren von türkischen Sicherheitskräften gezielt ermordeten DBP-Politikerin Sêvê Demir, ist ein Ermittlungsverfahren wegen Aktivitäten für den kriminalisierten KCD eingeleitet worden.

Die Generalstaatsanwaltschaft von Şırnak (ku. Şirnex) hat ein Ermittlungsverfahren gegen Sakine Demir eingeleitet. Bei der Kurdin aus Silopiya handelt es sich um die Mutter der DBP-Politikerin Sêvê Demir, die am 4. Januar 2016 im Zuge der Ausgangssperren zusammen mit der KJA-Aktivistin Fatma Uyar und der Ko-Vorsitzenden des Volksrats von Silopiya, Pakize Nayır, von türkischen Sicherheitskräften gezielt exekutiert wurde.

Wie es heißt, wird gegen Sakine Demir im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen den zivilgesellschaftlichen Dachverband KCD (Demokratischer Gesellschaftskongress) ermittelt, der trotz gegenteiliger Bewertung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) von der türkischen Führung als „PKK-Struktur“ deklariert wurde und von den Justizbehörden entsprechend behandelt wird. Die Kriminalisierung des KCD geht einher mit einem politischen Vernichtungsfeldzug gegen den kurdischen Teil der Bevölkerung.

Die Staatsanwaltschaft hatte nach Sakine Demir sogar fahnden lassen, um sie als Terrorverdächtige zu vernehmen. Am Dienstag begab sie sich daraufhin freiwillig zum Justizpalast in Şirnex. Ob Anklage gegen Demir erhoben wird, ist noch unklar. 

Sêvê Demir

EGMR: KCD ist legal

Die Große Kammer des EGMR hat in ihrem Urteil vom 22. Dezember 2020 zu Selahattin Demirtaş nicht nur die Freilassung des kurdischen Politikers angeordnet, sondern das Verhältnis zwischen Politik und Justiz in der Türkei gründlich aufgearbeitet. Das Urteil zeigt auf, wie die politischen Entwicklungen der vergangenen vier bis fünf Jahre über die Justiz organisiert wurden und bewertet die Verhaftungswelle vom 4. November 2016 gegen Politikerinnen und Politiker der HDP und ihrer Schwesterpartei DBP insgesamt. Das Urteil zeigt nicht nur auf, dass sie rechtswidrig verhaftet wurden, sondern insgesamt über die Justiz kriminalisiert werden. Zum KCD kommt das Straßburger Gericht zu dem Urteil, dass der zivilgesellschaftliche Zusammenschluss eine legale Organisation ist und die Betätigung für ihn kein Beweis für die Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation sein kann.

KCD-Vorsitzende zu 22 Jahren Haft verurteilt

Gegen Mitglieder und Delegierte des KCD kommt es seit Monaten zu Verhaftungen und Gerichtsverfahren. Zahlreiche Personen wurden bereits auf Grundlage von Aktivitäten für den Dachverband oder Besuchen von Veranstaltungen, die von den verschiedenen Komitees der Organisation ausgerichtet worden sind, zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Dabei ist der KCD auch in der Türkei weiterhin legal. Ein Verbotsverfahren wurde nicht eingeleitet, auch liegt kein Präsidialdekret vor.

Nur einen Tag vor dem EGMR-Urteil war mit Leyla Güven die Ko-Vorsitzende des KCD zu einer Haftstrafe in Höhe von 22 Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Der Justizskandal hatte nicht nur in Kurdistan und der Türkei hohe Wellen geschlagen.