22 Jahre Haft für Leyla Güven

Die Ko-Vorsitzende des Demokratischen Gesellschaftskongresses und prominente kurdische Politikerin Leyla Güven ist zu 22 Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden.

Die politische Justiz in der Türkei hat ein weiteres Skandalurteil gefällt. Die kurdische Politikerin Leyla Güven wurde vom 9. Schwurgericht Diyarbakır (kurd. Amed) zu 22 Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Zudem ist ihre sofortige Verhaftung angeordnet worden. Güven war in 18 Punkten angeklagt. Ihr wurde unter anderem die Mitgliedschaft und Leitung des Demokratischen Gesellschaftskongresses (KCD) und die Teilnahme an Demonstrationen und Kundgebungen zwischen 2016 und 2018 vorgeworfen. Obwohl der KCD nicht verboten ist, werden Mitglieder systematisch mit Terrorparagraphen kriminalisiert, so auch Leyla Güven. Zu den Anklagepunkten gegen die 56-Jährige gehörten „Bildung und Führung einer Terrororganisation“, „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“, „Anstachelung der Bevölkerung zu rechtswidrigen Versammlungen und Demonstrationen“ und „die unbewaffnete Teilnahme an rechtswidrigen Demonstrationen, die sich trotz Aufforderung nicht auflösen“. Bei den letzteren Anklagepunkten geht es insbesondere um Proteste während der Efrîn-Invasion.

Güven selbst nahm an der Verhandlung nicht teil und wurde von ihren Anwält*innen Serdar Çelebi und Cemile Turhallı Balsak vertreten. Beide kündigten an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen.

Verfahren auf der Basis von zurückgezogener Kronzeugenaussage

Das Urteil gegen Leyla Güven gründet auf den Aussagen von Evindar Oruç, der Hauptzeugin der Anklage, die jedoch in der letzten Verhandlung ihre Aussage zurückgezogen und klargestellt hatte, dass sie Leyla Güven persönlich nicht kenne, sie niemals getroffen habe und nicht wisse, ob sie eine Verbindung zur PKK habe. Beim polizeilichen Verhör sei ihr signalisiert worden, dass der Staatsanwalt ihr behilflich sein könne. Im Gegenzug solle sie gegen Leyla Güven aussagen. „Daraufhin habe ich ein Aussageprotokoll unterzeichnet. Bei der Leyla, die mich nach Istanbul gebracht hat, handelte es sich definitiv nicht um Leyla Güven“, so Evindar Oruç bei ihrer Zeugenanhörung Ende Oktober.

Was ist der KCD?

Der Demokratische Gesellschaftskongress fungiert als Dachverband politischer Parteien, zivilgesellschaftlicher Organisationen, religiöser Gemeinden sowie Frauen- und Jugendorganisationen. Er versteht sich als gesellschaftlicher Gegenentwurf zu staatlichen Strukturen, der – gestützt auf Räte- und Basisdemokratie – Konzepte zur Selbstorganisierung der Bevölkerung und Alternativen der kommunalen Selbstverwaltung erarbeitet. Der KCD besteht aus etwa 1000 Delegierten, von denen 60 Prozent durch die Bevölkerung direkt gewählt und 40 Prozent aus zivilgesellschaftlichen Organisationen benannt werden, und ist in Kommissionen gegliedert. Sowohl innerhalb des Dachverbands wie auch in den Stadtteilräten und Stadträten gibt es keine Frauenquote, sondern eine Geschlechterquote. Das bedeutet, dass der Anteil von Frauen beziehungsweise Männern 40 Prozent nicht unterschreiten darf.