In Amed (türk. Diyarbakir) ist der Prozess gegen die kurdische Politikerin Leyla Güven fortgesetzt worden. In dem Verfahren wird der Ko-Vorsitzenden des kurdischen Selbstverwaltungsorgans „Demokratischer Gesellschaftskongress“ (KCD/DTK) die Leitung einer terroristischen Organisation vorgeworfen. Bis Juni saß Leyla Güven als HDP-Abgeordnete im türkischen Parlament, dann wurde ihr das parlamentarische Mandat entzogen. An der Gerichtsverhandlung nahm sie persönlich nicht teil, gegen sie laufen zahlreiche weitere Verfahren.
Evindar Oruç, die Hauptzeugin der Anklage, revidierte in der Verhandlung über eine Videoschaltung ihre Aussage bei der Polizei. Sie stellte klar, dass sie Leyla Güven persönlich nicht kenne, sie niemals getroffen habe und nicht wisse, ob sie eine Verbindung zur PKK habe. Bei polizeilichen Verhör sei ihr signalisiert worden, dass der Staatsanwalt ihr behilflich sein könne. Im Gegenzug solle sie gegen Leyla Güven aussagen. „Daraufhin habe ich ein Aussageprotokoll unterzeichnet. Bei der Leyla, die mich nach Istanbul gebracht hat, handelte es sich definitiv nicht um Leyla Güven“, so Evindar Oruç.
Die Verhandlung wurde auf den 18. November vertagt, das Gericht ordnete die Beibehaltung der Meldeauflagen für die Angeklagte an.
Das türkische Regime unterhält einen Kronzeugenpool, aus dem bei Bedarf die für eine Anklageerhebung notwendigen Aussagen geschöpft werden. In den meisten Fällen wird die Identität der Kronzeugen geheim gehalten, in den Gerichtsakten werden sie oftmals nur mit einer Nummer benannt. Ein bekannter Fall ist die Kronzeugin Hicran Berna Ayverdi, deren Aussagen in unzähligen Verfahren gegen kurdische Aktivist*innen und Politiker*innen als Beweismittel herangezogen werden, so auch im Prozess gegen den letzten Oberbürgermeister von Amed, Adnan Selçuk Mızraklı.