In Amed (türk. Diyarbakir) ist der Prozess gegen die kurdische Politikerin Leyla Güven fortgesetzt worden. In dem Prozess vor der neunten Strafkammer des Schwurgerichts Diyarbakir sind 18 Strafverfahren zusammengefasst worden. Der Ko-Vorsitzenden der zivilgesellschaftlichen Organisation „Demokratischer Gesellschaftskongress“ (KCD/DTK) wird die Gründung und Leitung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Weitere Anklagepunkte sind Mitgliedschaft, Propaganda und „Aufstachelung des Volkes“ zu illegalen Versammlungen und Demonstrationen im Zeitraum 2016 bis 2018. Die ehemalige HDP-Abgeordnete soll sich „unbewaffnet an gesetzeswidrigen Demonstrationen“ beteiligt haben und der Aufforderung nach Auflösung der Versammlung nicht nachgekommen sein, so die Generalstaatsanwaltschaft.
Leyla Güven nahm an der Verhandlung nicht teil und wurde durch ihre Rechtsanwält*innen vertreten. Der Staatsanwalt führte in seinem Plädoyer aus, dass es sich bei dem Demokratischen Gesellschaftskongress um das dritte von vier Standbeinen im Paradigma Abdullah Öcalans handele. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft stellt der KCD das gesetzgebende Organ des Türkei-Rats der KCK dar und steht in Verbindung mit der PKK/KCK, um eine innerkurdische Einheit herzustellen. Leyla Güven soll sich als KCD-Vorsitzende öffentlich entsprechend der Ziele der PKK/KCK geäußert haben.
Die Strafforderung gegen Leyla Güven begründete der Staatsanwalt mit den Aussagen von Evindar Oruç, der Hauptzeugin der Anklage, die jedoch in der letzten Verhandlung ihre Aussage zurückgezogen und klargestellt hatte, dass sie Leyla Güven persönlich nicht kenne, sie niemals getroffen habe und nicht wisse, ob sie eine Verbindung zur PKK habe. Beim polizeilichen Verhör sei ihr signalisiert worden, dass der Staatsanwalt ihr behilflich sein könne. Im Gegenzug solle sie gegen Leyla Güven aussagen. „Daraufhin habe ich ein Aussageprotokoll unterzeichnet. Bei der Leyla, die mich nach Istanbul gebracht hat, handelte es sich definitiv nicht um Leyla Güven“, so Evindar Oruç bei ihrer Zeugenanhörung Ende Oktober.
Insgesamt forderte die Staatsanwaltschaft ein Strafmaß zwischen neuneinhalb und fünfundzwanzig Jahren Haft. Die Verhandlung wurde auf den 21. Dezember vertagt, dann soll das Plädoyer der Verteidigung erfolgen.