„Den Widerstand bis zur Aufklärung der Pariser Massaker fortsetzen“

Şerda Mazlum Gabar vom Zentralkommando der Frauenguerilla YJA Star ruft die kurdische Gesellschaft dazu auf, den Kampf für die Aufklärung der Morde von Paris entschlossen fortzusetzen.

Die Kommandantin Şerda Mazlum Gabar vom zentralen Hauptquartier der Frauenguerilla YJA Star hat die kurdische Gesellschaft aufgerufen, den Kampf für die Aufklärung der Morde von Paris sowie eine lückenlose Verfolgung aller Beteiligten entschlossen fortzusetzen. „Das kurdische Volk muss jedem, ob Freund oder Feind, signalisieren, dass es nicht ruhen wird, ehe die Massaker restlos aufgeklärt und die Täter bestraft worden sind“, sagte Gabar in einer Videobotschaft an die Demonstration im Gedenken an die am 9. Januar 2013 von einem türkischen Attentäter ermordeten Revolutionärinnen Sakine Cansız (Sara), Fidan Doğan (Rojbîn) und Leyla Şaylemez (Ronahî) am Sonnabend in Paris. Von Frankreich forderte Gabar, das Ermittlungsverfahren in dem Fall nicht länger zu blockieren und das Staatsgeheimnis aufzuheben.

An dem Gedenkmarsch, mit dem auch an Emine Kara (Evîn Goyî), Mehmet Şirin Aydın (Mîr Perwer) und Abdurrahman Kızıl erinnert wurde, die kurz vor Weihnachten bei dem Anschlag auf das Pariser Ahmet-Kaya-Kulturzentrum ermordet wurden, haben sich tausende Menschen aus verschiedenen Ländern Europas beteiligt. Die Botschaft von Şerda Mazlum Gabar, die bei der Abschlusskundgebung auf dem Platz der Republik abgespielt wurde, erntete viel Beifall und Aufmerksamkeit. Nachfolgend veröffentlichen wir das Statement im Wortlaut:


Wir werden Rache üben

„Zunächst übermittle ich im Namen der kurdischen Frauenbewegung, des Zentralkommandos der YJA Star, im Namen unserer Kämpferinnen, die in den Kriegstunneln von Metîna, Zap und Avaşîn Widerstand leisten, und jener, die von Botan bis Amed und von Serhed bis Dersim kämpfen, meine aufrichtigen Grüße aus den Bergen Kurdistans. Anlässlich des heutigen Tages gedenke ich ehrfürchtig unserer Freundinnen Rojbîn und Ronahî, der Freiheitsgöttin Hevala Sara; unseres wertvollen Patrioten Abdurrahman Kızıl, Hevala Evîn, die in der Fortsetzung des ersten Massakers von Paris gefallen ist, des werten Künstlers Mîr Perwer; ich gedenke ehrfürchtig unserer elf Genoss:innen, die kürzlich infolge eines Chemiewaffenangriffs des Feindes gefallen sind, und verneige mich vor ihrem Andenken. Ich bekräftige unser Versprechen, dass wir, komme was wolle, Rache nehmen werden.

Sara war als Symbol des Widerstands Hauptziel des ersten Massakers von Paris

Wertes Volk, ihr wisst, dass bei dem Mordkomplott, das vor zehn Jahren, am 9. Januar 2013, in Paris stattfand, primär unsere Freundin Sara getroffen werden sollte. Sie wurde vor allem deshalb zur Zielscheibe, weil sie an der Gründung unserer Partei beteiligt war und als Frau zu ihren ersten Mitgliedern gehörte. Hevala Sara beharrte auf der apoistischen Linie; sie beugte sich weder dem Feind noch dem Patriarchat. Ihr Leben war immer ein Ringen, ein Kampf. Sie hat immer gegen das patriarchale System der Herrschaft rebelliert. So war Saras Beitritt [zur PKK] die Antwort auf den Völkermord in Dersim. Der Feind begriff diese Wahrheit, die sich in Hevala Sara zeigte. Er sah ihren Widerstand im Kerker und ihre entscheidende Rolle in der kurdischen Frauenbewegung und in der Bewegung insgesamt und nahm sie ins Visier. Rêber Apo [Abdullah Öcalan] bezeichnete das erste Pariser Massaker auch deshalb als den zweiten Dersim-Genozid. Warum hat er es so genannt? Weil der Feind seit mehr als 100 Jahren eine Politik des Völkermords am kurdischen Volk und an den kurdischen Frauen betreibt. Diese genozidär motivierte Politik soll die Kurd:innen und insbesondere die kurdischen Frauen, die nach ihrem eigenen Willen leben und ihrem Willen und ihrer Identität entsprechend handeln, vernichten und auslöschen.

Sara war die Identität der freien Frauenbewegung

Hevala Sara war die Identität der kurdischen Frauenbefreiungsbewegung. Sie war keine gewöhnliche Frau. Ihr revolutionärer Stil war eine Lebenseinstellung. Wir haben von Sara gelernt, wie eine freie Frau lebt, wie sie kämpft, wie sie sich am Kampf für die Freiheit beteiligt. Am Vorbild von Hevala Sara lernten wir, wie eine Frau in der PKK schön werden kann, wie eine revolutionäre Frau aufrecht stehen und sinnvoll leben kann. Ein PKK-Mitglied zu sein, passte zu Sara.

„Den revolutionären Volkskrieg ausweiten“

Weil Saras Loyalität gegenüber Rêber Apo äußerst ausgeprägt war und sie der Freiheitsbewegung und den Werten des Volkes sehr stark verbunden war, hatte der Feind sie besonders im Visier. Im Jahr 2013 verübten die damals regierende AKP und der MIT in der französischen Hauptstadt Paris gemeinsam dieses Massaker. So sollte eine Botschaft an unsere Bewegung, an unser Volk übermittelt werden. Man wollte den Willen des kurdischen Volkes, den Willen der freien kurdischen Frauen brechen, man wollte unsere Bewegung zerschlagen, damit wir uns in das System integrieren. Aber der historische Widerstand unserer Führung in Imrali, der unerbittliche Kampf der kurdischen Freiheitsguerilla in den Bergen Kurdistans und die historische Rebellion unseres patriotischen Volkes gegen den AKP/MHP-Faschismus haben die Völkermordpolitik des türkischen Staates vereitelt.

Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass das internationale Komplott nicht vorbei ist und weitergehen wird. Wir müssen das Komplott zerschlagen, wir müssen es besiegen. Deshalb müssen wir uns mehr denn je organisieren. Was ist unsere Strategie in dieser Zeit gegen die genozidale Mentalität des Feindes? Es ist der revolutionäre Volkskrieg. Unser Volk und unsere Guerilla müssen ihren Kampf in Kurdistan und im Ausland auf der Grundlage des revolutionären Volkskriegs ausweiten. Natürlich reicht es nicht aus, nur im Land zu kämpfen oder Krieg zu führen. Denn wo immer es Kurd:innen gibt, die für ihren Willen eintreten, wo immer es Frauen gibt, die zum Widerstand entschlossen sind, wird der Feind angreifen. Sei es in Frankreich, in den Vereinigten Staaten oder in Silêmanî. Unsere Freundin Nagihan ist ein Beispiel dafür. Ebenso sind es Hevala Evîn, Abdurrahman Kızıl und Mîr Perwer. Wären das Komplott um die ersten Pariser Morde aufgeklärt und alle Beteiligten ermittelt worden, so hätte es das zweite Massaker nicht gegeben. Aus diesem Grund erfüllt uns die Haltung unseres Volkes, die es seit dem 23. Dezember demonstriert, mit großem Stolz und tiefem Respekt. Wir betrachten die Haltung unseres Volkes gegenüber der französischen Regierung sowie die Aktionen seither als bedeutsam.

Das Volk soll wissen, dass hinter ihm die Guerillaarmee steht

Die herrschenden Mächte, diese Faschisten, die ihre Grenzen nicht kennen und ihre Hände nach unserem Volk ausstrecken, sollten wissen, dass wir die Verteidigungskräfte des Volkes sind. Wir sind die Verteidigungskräfte Kurdistans, wir sind die Verteidigungskräfte des kurdischen Volkes und aller Frauen. Wir werden die Hände brechen, die sich nach unserem Volk ausstrecken, und wir werden die Frauen befreien. Unser Volk sollte wissen, dass es nicht allein ist. Es sollte wissen, dass die Armee der YJA Star hinter ihm steht, dass die Freiheitsguerilla Kurdistans hinter ihm steht. Wir werden nicht ruhen, solange wir unsere Genoss:innen nicht gerächt haben. Das Leben besteht nicht nur aus Ein- und Ausatmen. Das Leben hat eine Bedeutung, wenn ihm ein Sinn gegeben wird. Das Leben hat einen Sinn, wenn es wertvoll ist, wenn es auf Identität beruht. Nur so kann es als Leben bezeichnet werden.

Wir wissen es und haben es auch in den Aktionen unseres Volkes gesehen; unser Volk lehnt sich gegen den Völkermord auf, es will nicht ohne Sinn leben, es will kein Volk ohne Willen sein. Unser Volk muss von jetzt an seinen Widerstand fortsetzen. Es darf nicht ruhen, bis sowohl das erste als auch das zweite Pariser Massaker aufgeklärt sind. Es muss jedem, ob Freund oder Feind, diese Forderung demonstrieren.

Frankreich sollte sich nicht zum Komplizen machen

Gleichzeitig möchte ich mich auch an Frankreich richten: Die französische Regierung sollte sich nicht zur Komplizin bei diesem Verbrechen machen. Das AKP/MHP-Regime und der MIT haben im Herzen von Paris ein abscheuliches, niederträchtiges Massaker verübt. Die politische Führung darf dieses Massaker weder vertuschen noch seine Aufdeckung behindern. Frankreich ist verpflichtet aufzuklären, wer die Verbrecher sind und wer an dem Mordkomplott beteiligt ist.“

Der Geist von Zap, Metîna und Avaşîn muss in Frankreich gelebt werden

An die kurdische Diaspora gerichtet beendete Şerda Mazlum Gabar ihre Botschaft mit den Worten: „Wertes Volk, solange das Mordkomplott nicht aufgeklärt ist, müsst ihr euren Freiheitsmarsch fortsetzen und weiterkämpfen. Der Geist von Zap, Metîna und Avaşîn muss in Frankreich und Paris gelebt werden. Wir sind davon überzeugt, dass unser Volk den Gefallenen und Rêber Apo zutiefst verbunden ist. Ihr wisst, dass wir uns in keiner gewöhnlichen Phase befinden. Der Feind will unsere Bewegung zerstören. Warum will er dies? Weil die PKK das einzige Hindernis für die Umsetzung seines Genozids ist. Der Feind glaubt, wenn die PKK verschwindet, fällt es ihm leichter, das kurdische Volk auszulöschen. Er glaubt, er könne dieses Volk einem Genozid unterziehen. Deshalb wird unsere Gesellschaft mehr denn je für Rêber Apo eintreten. Zugleich wird sie ihre Werte der Freiheit verteidigen. Heute fallen in den Bergen Kurdistans die schönsten Kinder dieses Volkes, die Kämpfer:innen der kurdischen Freiheitsguerilla, durch Chemiewaffen. Zuletzt sind elf unserer Genoss:innen gefallen. Egal, was der Feind auch unternimmt, wir werden nicht einen Schritt weichen. Das sollten alle wissen. Wir werden unseren Kampf bis zum Ende führen.“