CENÎ gratuliert Hungerstreikenden zum historischen Erfolg

„Mögen wir unseren Kampf für eine gerechte, friedliche, vielfältige, frauenbefreite, ökologische Welt mit noch größerer Entschlossenheit, Liebe, Mut und Hoffnung fortführen“, erklärt CENÎ und gratuliert allen Hungerstreikenden.

Das Kurdische Frauenbüro für Frieden e.V. – CENÎ gratuliert zum Ende des Hungerstreiks Leyla Güven und den weiteren Tausenden Hungerstreikenden sowie den Friedensmüttern und Müttern der Gefangenen und den Frauen weltweit, „die mit ihrem Widerstand gegen den Faschismus in der Türkei und dem Zusammenhalt von Frauen diese Atmosphäre der Hoffnung wieder zum Vorschein gebracht haben, zu ihrem historischen Erfolg!“. Weiter heißt es in der Erklärung:

Am 26. Mai haben Leyla Güven, die politischen Gefangenen sowie die zahlreichen Hungerstreikenden in Südkurdistan, Nordkurdistan, Frankreich, Deutschland, Wales, Kanada, Holland, England, Italien ihren unbefristeten Hungerstreik und das Todesfasten beendet. Sie erklärten, dass sie den Kampf gegen die Isolation auf Grundlage des Erfolgs des Hungerstreiks nun mit anderen Methoden fortführen und verstärken werden.

Leyla Güven war am 7. November in einen unbefristeten Hungerstreik getreten, damit die Isolation des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan beendet und damit die Grundlage für eine politische Lösung der kurdischen Frage geschaffen wird. Nach und nach schlossen sich dem Hungerstreik immer mehr Aktivist*innen und Politiker*innen an. Am 1. März traten mehrere tausend politische Gefangene in den Hungerstreik. In der Woche vom 30. April haben 30 Gefangene ein Todesfasten begonnen. Die Forderungen der Hungerstreikenden wurden von Politker*nnen, Aktivist*innen und Intellektuellen weltweit unterstützt.

Der organisierte Widerstand und die internationale Aufmerksamkeit führten dazu, dass Abdullah Öcalans Bruder am 12. Januar ein 15-minütiges Gespräch mit Abdullah Öcalan führen konnte und Leyla Güven am 24. Januar aus der illegalen Untersuchungshaft entlassen wurde. Nach der Aufhebung eines illegalen Verbots von Anwaltsbesuchen auf Imrali konnten zwei Anwälte Abdullah Öcalan am 2. Mai zum ersten Mal nach acht Jahren besuchen. In seiner durch die Anwälte veröffentlichten Erklärung rief Abdullah Öcalan – zum wiederholten Male – zu einer tiefgreifenden Versöhnung der Völker in der Türkei auf. Am 22. Mai konnten die Anwälte nun erneut einen Besuch durchführen. Die türkische Regierung hat damit eine der Hauptforderungen der Hungerstreikenden erfüllt und sie beenden ihre Aktion. Abdullah Öcalan erklärte auch in diesem zweiten Treffen mit seinen Anwälten, dass die Gesellschaften der Türkei ein grundlegendes Bedürfnis nach einer Debatte über demokratische Politik und Verhandlungen sowie einen würdevollen Frieden habe und er seinen Teil dazu beitragen wolle. Er erinnerte an die Atmosphäre der Hoffnung, die 2013 die Gesellschaften der Türkei erfasste.

Wir gratulieren Leyla Güven und den Hungerstreikenden, den Friedensmüttern und Müttern der Angehörigen, den Gefangenen und Frauen weltweit, die mit ihrem Widerstand gegen den Faschismus in der Türkei und dem Zusammenhalt von Frauen diese Atmosphäre der Hoffnung wieder zum Vorschein gebracht haben, zu ihrem historischen Erfolg!

Jedoch verurteilen wir die Regierungsvertreter*innen der EU und insbesondere Deutschlands, die sich aus Rücksichtnahme auf nationale und ökonomische Interessen scheinbar nicht in der Lage fühlen, dem offenen Faschismus in der Türkei mit Nachdruck entgegen zu treten. Während sie sich, wie zum Beispiel Heiko Maas, auf internationalem Parkett öffentlichkeitswirksam als Verteidiger*innen von Frauenrechten aufspielen, hofieren sie gleichzeitig ein faschistisch-islamistisches Regime, das von Frauenrechten absolut nichts wissen will. Ein Regime, das aktive Unterstützung für den sog. Islamischen Staat leistete, der Frauen zu Kriegsbeute erklärt, vergewaltigt, versklavt und verkauft. Das mitten in Paris Frauenaktivistinnen mit Hilfe seines Geheimdienstes ermorden ließ. Das Frauen auf die Rolle von Gebärmaschinen und unbezahlten Putzkräften beschränkt und politisch aktive Frauenorganisationen per Dekret verbieten lässt. Wir verurteilen ebenso etablierte Hilfsorganisationen wie Amnesty International, die einem Hungerstreik einer kurdischen Parlamentsabgeordneten und Tausenden von politischen Gefangenen so wenig Bedeutung beimessen, dass sie auch nach sechs Monaten noch keine „unabhängigen Informationen“ eingeholt haben und dies als Begründung für ihre Untätigkeit heranziehen. Auch hier scheinen die Eigeninteressen stärker zu wiegen als der gemeinsame Kampf für Demokratie und für die Einhaltung der Menschenrechte.

Leyla Güven und die Hungerstreikenden, die Friedensmütter und die Angehörigen sowie deren solidarische Mitstreiter*innen haben mit ihrer organisierten Aktion erreicht, was in der aktuellen Situation niemand für möglich gehalten hatte: In einer Zeit, in der die nationalstaatliche Politik nur noch von Krieg, aufgekündigten Atom-Abkommen und der scheinbar unabdinglichen Erhöhung von Rüstungsausgaben zu sprechen scheint und in der Konflikte durch immer weitere Eskalation und Repression gelöst werden sollen, haben sie an ihrem Wunsch nach Frieden festgehalten und die Möglichkeit von politischen Lösungen und Frieden wieder auf die politische Agenda gesetzt. In einer Situation, in der Vertreter*innen der EU, insbesondere Deutschlands, sowie etablierte Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen aufgrund von kurzfristigen Eigeninteressen strategisch untätig bleiben, haben sie Handlungsfähigkeit und Willenskraft bewiesen. Sie haben gezeigt, dass Frauen nicht abhängig vom Gutdünken patriarchaler, kapitalistischer und nationalistischer Politik sind, sondern mit Mut, Entschlossenheit und organisierter Kraft die Welt verändern können! In diesem Sinne grüßen wir alle Frauen, die die aktuelle Politik der Kriege ablehnen und fordern sie auf, diesen Erfolg mit uns gemeinsam zu feiern und auszuweiten. Mögen wir unseren Kampf für eine gerechte, friedliche, vielfältige, frauenbefreite, ökologische Welt mit noch größerer Entschlossenheit, Liebe, Mut und Hoffnung fortführen!