Besuch beim weltweit einzigen Frauensender JinTV
Die Hamburger Ethnologin und Autorin Anja Flach hat den weltweit einzigen Frauensender JinTV besucht. Für ANF schildert sie ihre Eindrücke.
Die Hamburger Ethnologin und Autorin Anja Flach hat den weltweit einzigen Frauensender JinTV besucht. Für ANF schildert sie ihre Eindrücke.
JinTV mit Sitz in den Niederlanden ging am 8. März 2018 auf Sendung. Das besondere an JinTV ist, dass alles hier auschließlich von Frauen gemacht wird; die Programme, die Technik, alles.
Das Sendegebäude liegt in einem Industriegebiet, ein unscheinbarer Neubau. Hier werden jeden Tag drei Nachrichtensendungen aus der Sicht von Frauen gemacht, in Kurdisch und Arabisch. „Wir hatten auch eine türkischsprachige Nachrichtensendung, aber das können wir im Moment nicht leisten, dazu fehlt uns Personal“, so Havîn. Der Sender hat Mitarbeiterinnen in verschiedenen Städten in Rojava, über Amed (Diyarbakir), Istanbul, Silêmanî und Mexmûr. Die Teams bereiten eigene Beiträge vor, die dann von hier aus gesendet werden. Außerdem werden von hier wöchentlich zwei Diskussionsprogramme live gesendet. Am Mittwoch um 14.00 Uhr die kurdischsprachige Sendung „Siber“, am Sonntag um 15.00 Uhr die türkischsprachige Sendung „Konuşa Konuşa“.
Von Frauenstiftung NEWA betriebener Frauenkanal
Lydia führt mich durch das Gebäude, zeigt mir das Studio, die Regie, die Rechner und Arbeitsräume. Um 12.00 Uhr beginnt hier die erste Live-Nachrichtensendung. Der Computer, der für die Sendung benötigt wird, die in wenigen Minuten beginnt, funktioniert nicht, keine gerät in Panik. Der Trailer wird eingespielt. Im Studio steht Aysel Avesta, die sich schon im Schminkraum vorbereitet hat. Vorbereitete Beiträge wechseln sich ab mit Telefongesprächen aus Rojava, Bakur und Başûr. Lydia macht die Regie, wenn eine Skype- oder Telefonleitung zusammenbricht, was bei fast jedem Gespräch passiert, muss sie blitzschnell umdisponieren, einen anderen Beitrag vorziehen und Aysel Bescheid geben. Der Bericht ist von der Nachrichtenagentur ANHA. Ein Team von JinTV berichtet live aus dem Geflüchtetenlager Newroz. Havîn mischt den Ton, Hevser sucht gleichzeitig aktuelle Bilder zu dem Livebericht heraus, die sofort gesendet werden. Alles wirkt, als wäre es schon tausendmal gemacht worden, dabei arbeitet sie hier erst seit ein paar Monaten. Auf dem Bildschirm sieht man jetzt Studentinnen in Silêmanî Flugblätter verteilen. Endlich steht die Leitung. Die Journalistin Hava Dara berichtet nun live. Dann wird umgeschaltet nach Bakûr, wo gerade wieder eine Ko-Bürgermeisterin abgesetzt wurde. Sie berichtet über Whatsapp, Lydia hat ihr Bild und die Bildunterschrift vorbereitet. Nach einem Buch über eine Plattform von Schriftstellerinnen aus Amed, die Frauenbücher bekannt machen wollen.
Frauensouveränität gegen männliche Informationshegemonie
„Frauenliteratur wird nicht wahrgenommen. So viel wurde über das Buch von Selahattin Demirtaş gesprochen, aber sehr wenig über das von Gültan Kişanak“, erklärt Lydia, „das wollen die Frauen von der Plattform ändern“. Nun ist die halbstündige Sendung vorbei. Jetzt wird eine Sendung der Frauennachrichtenagentur JinNews eingespielt. Hevî bereitet die arabischsprachige Sendung für 16.00 Uhr vor. Die Themen sind teilweise ganz andere. Libanon, Sudan, „dort haben wir viele Zuschauerinnen“, so Lydia.
JinTV geht es vor allem darum, die Frauenrevolution in Kurdistan und überall auf den Bildschirm zu bringen. „Wir wollen die Stärke der Frauen zeigen, sie sind nicht nur Opfer“, erklärt Lydia.
Während Rojava angegriffen wird und kämpft, berichten die Frauen live. „Unser Studio in Rojava musste umziehen, es war nah an der Grenze und in Gefahr bombardiert zu werden”, berichtet Aysel. „Die Zentrale konnte nicht in Rojava sein, eine einzige Bombe und alles ist zerstört“.
Vor wenigen Tagen habe ich noch eine Meldung darüber gelesen, wie gering der Einfluss von Frauen in den deutschen Medien ist. Ausgerechnet eine Sendung mit der Basis mit Mittleren Osten wird allein von Frauen hergestellt und bricht die männliche Hegemonie. Auch wenn Kurdistan besetzt und geteilt ist, die Frauensouveränität ist auf dem Satelliten schon mal gegeben.