Bei Hausdurchsuchung mit Vergewaltigung bedroht

Yeşim Tükel hielt sich in einer der Wohnungen auf, die Anfang der Woche von einer polizeilichen Sondereinheit in Istanbul durchsucht wurden. Sie wurde geschlagen, beleidigt und mit Vergewaltigung bedroht.

Yeşim Tükel ist am 22. Juni zusammen mit 16 weiteren Personen in Istanbul festgenommen worden. Sie wurde geschlagen, beleidigt und mit Vergewaltigung bedroht und sagt im Nachhinein: „Wir wurden misshandelt, weil wir Teil der feministischen und sozialistischen Bewegung sind. Ich bin wütend und wir werden angesichts dieses Angriffs keinen Schritt zurückweichen, niemand von uns.“

Die 17 Mitglieder der DB (Devrimci Parti / Revolutionäre Partei) und der Jugendorganisation Dev-Güç, die am 22. Juni bei Hausdurchsuchungen festgenommen wurden, sind am Freitag wieder freigelassen worden. Weil die Akte unter Geheimhaltung steht, wissen die Betroffenen nicht einmal den Grund ihrer Festnahme. Dass auch mehrere Personen bei den Razzien festgenommen wurden, gegen die gar keine entsprechende Anordnung vorlag, zeugt vom Grad der Rechtlosigkeit beim staatlichen Vorgehen. Auch Yeşim Tükel wurde ohne rechtliche Grundlage festgenommen. Sie ist Mitglied der Organisation „Frauenbefreiung“ (Kadınların Kurtuluşu) und der DP. Was ihr am 22. Juni widerfahren ist, hat sie gegenüber ANF geschildert.

Zu Boden gestoßen und getreten

Die Wohnung im Istanbuler Stadtteil Sarigazi, in der Yeşim Tükel mit drei weiteren Personen lebt, wurde morgens um vier Uhr von schwerbewaffneten Kräften der polizeilichen Sondereinheit PÖH und der Militärpolizei überfallen. „Sie haben die Tür aufgebrochen und sind hereingekommen. Die Polizisten der Sondereinheit richteten ihre Waffen auf uns und sagten: ,Wir schießen euch in den Kopf, hebt die Hände hoch.' Uns wurde kein Durchsuchungsbeschluss gezeigt und wir durften keinen Anwalt anrufen. Weil ich dagegen protestierte, dass einer meiner Freunde geschlagen wurde, stieß mich einer der Polizisten zu Boden und trat auf mich ein“, erzählt Yeşim Tükel.

Vergewaltigungsandrohung und sexistische Übergriffe

„Sie versuchten uns mit Gewalt zur Herausgabe der PIN-Nummern der Telefone zu zwingen. Wir wurden in einen Raum gedrängt und mussten uns mit den Händen über dem Kopf auf den Bauch legen. Ich war die einzige Frau und wurde die ganze Zeit sexistisch beschimpft. Sie drohten mir mit Vergewaltigung. Einer sagte: ,Du wirst diese Wohnung jetzt verlassen müssen, aber ich kann eine neue Wohnung für dich finden. Allerdings nur, wenn du mich massierst. Die anderen bringst du nicht mit, du kommst allein.' In dieser Form war ich stundenlang verbalen Übergriffen ausgesetzt.“

Stundenlange Misshandlung

„Ein anderer Polizist der Spezialeinheit nannte den Namen des Polizisten, der mich geschlagen hatte, und drohte: ,Wenn du willst, rufe ich Yakup her. Normalerweise verhält er sich Frauen gegenüber nicht so, er verhält sich liebenswürdiger, aber du hast ihn zur Weißglut gebracht.' Und als ich auf ihre Fragen nicht antwortete, sagten sie: ,Du sehnst dich wohl nach Yakup. Bevor wir gehen, musst du noch einmal geschlagen werden.' Während sie durch die Wohnung liefen und sie durchsuchten, traten sie absichtlich auf unsere Beine. Sie traten uns, obwohl wir auf dem Boden lagen. Nur durch unseren heftigen Protest konnten wir durchsetzen, dass wir bei der Durchsuchung dabei sind. Nachdem wir stundenlang misshandelt worden sind, wurden wir zur Kontrolle ins Krankenhaus gebracht. Die Polizisten wollten mit ins Behandlungszimmer, aber der Arzt ließ das nicht zu.“

Vier Tage im Gewahrsam der Militärpolizei

Obwohl keine Festnahmeanordnung gegen sie vorlag, wurde Yeşim Tükel mit den anderen zur Kommandantur der Istanbuler Militärpolizei gebracht. Dort wurden viele der Betroffenen zur Spitzeltätigkeit gedrängt. „Auch für zwei meiner Mitbewohner gab es keine Festnahmeanordnung. Wir wurden bloß mitgenommen, weil wir in der Wohnung waren. Als wir Kontakt zu einem Anwalt forderten, hieß es, dass das nicht nötig sei, es gehe nur um Informationen“, schildert Yeşim Tükel die Situation im Gewahrsam der Militärpolizei.

Yeşim Tükel sagt, dass sie große Wut auf die Polizisten empfindet: „Wir kennen diese Methoden des Männerstaates. Wir wissen, dass bei Hausdurchsuchungen in Kurdistan die Unterwäsche durchwühlt wird und Sprüche wie ,Wir waren hier, ihr wart nicht da' an die Schlafzimmerwand geschrieben werden. Wir kennen dieses Vorgehen von der Gewalt, die auf der Straße gegen Frauen angewandt wird, die die Istanbul-Konvention verteidigen. Es war also nichts Neues für uns. Wir sind misshandelt worden, weil wir Teil der feministischen und sozialistischen Bewegung sind. Ich bin wütend und werde angesichts dieser Angriffe keinen Schritt zurückweichen, niemand von uns. Wir werden wie bisher unseren Kampf fortsetzen.“