Anwältin Nurcan Kaya wegen Terrorpropaganda verurteilt

Wegen Twitter-Beiträgen aus den Jahren zwischen 2014 und 2020 mit regierungskritischem und antimilitaristischem Inhalt ist die kurdische Rechtsanwältin Nurcan Kaya in der Türkei zu einer Haftstrafe nach dem Antiterrorgesetz verurteilt worden.

Die kurdische Rechtsanwältin Nurcan Kaya ist in Amed (tr. Diyarbakir) unter Terrorvorwürfen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Ein türkisches Strafgericht in der Metropole bewertete Beiträge der Juristin im Kurznachrichtendienst Twitter als „Propaganda für eine terroristische Vereinigung“ und verhängte fünfzehn Monate Haft. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Gegenstand des Verfahrens gegen Nurcan Kaya waren Twitter-Einträge aus den Jahren zwischen 2014 und 2020 mit regierungskritischem und antimilitaristischem Inhalt. Einer Behauptung des türkischen Außenministers Mevlüt Çavuşoğlu etwa, wonach die „Operation Friedensquelle“ genannte Invasion in Nordsyrien 2019 rechtmäßig und konform mit dem Völkerrecht sei, entgegnete Kaya sinngemäß mit den Worten „Nennen wir es beim Namen, es handelt sich um eine Offensive zur Durchführung von Massakern“. In anderen kriminalisierten Tweets rief sie zur Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen zwischen der türkischen Regierung und dem PKK-Begründer Abdullah Öcalan auf, da nur auf diese Weise die Lösung der kurdischen Frage und eine Demokratisierung des Landes erreicht werden könne. Außerdem bezeichnete sie den Kampf um die westkurdische Stadt Kobanê gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) als Widerstand für die Menschheit.

Bevor das Propagandaverfahren gegen Kaya eingeleitet wurde, liefen zunächst Ermittlungen wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung – angestoßen von der Polizei Diyarbakir. Da das Justizministerium kein grünes Licht für das Verfahren gab, startete die Staatsanwaltschaft einen zweiten Versuch und legte im Eiltempo eine Anklageschrift wegen „Beleidigung der türkischen Nation, des Staates der türkischen Republik und der Institutionen und Organe des Staates“ auf Grundlage des umstrittenen Paragrafen 301 vor. Auch hier machte das Ministerium der Anklagebehörde einen Strich durch die Rechnung. Beim dritten Anlauf gab es offensichtlich Erfolg, die Juristin wurde verurteilt.

Nurcan Kaya | Bild: privat

Nurcan Kaya wies die Terrorvorwürfe zurück und bezeichnete das Vorgehen gegen sie als „beharrliche Zermürbungstaktik“ und Belästigung durch die Hand der Justiz. „Mittels gezielter juristischer Schikanen soll meine Person zum Schweigen gebracht werden. Diese Vorgänge erwecken den Eindruck, dass dieses Verfahren auf Anweisung einer Behörde zustande gekommen ist, die unbedingt verhindern möchte, dass die Regierung und ihre Politik kritisiert werden.“ Ähnlich äußerten sich auch Kayas Verteidiger Veysel Ok, Mehmet Emin Aktar und Nahit Eren. Das Urteil gegen die Rechtsanwältin, die auch Kolumnistin beim regierungskritischen Internetportal Artı Gerçek ist, ist noch nicht rechtskräftig.