„100 Gründe” – Straßenumbenennung in ostdeutschen Städten

Im Rahmen der „100 Gründe”-Kampagne der kurdischen Frauenbewegung in Europa sind in mehreren ostdeutschen Städten Straßen umbenannt worden.

Anlässlich des internationalen feministischen Kampftages und in Solidarität mit der Kurdischen Frauenbewegung in Europa (TJK-E) benannten Aktivistinnen und Aktivisten in Neuruppin, Magdeburg, Halle, Jena und Berlin Straßen im Rahmen der Kampagne „100 Gründe den Diktator zu verurteilen” um. Der Titel der Kampagne basiert auf den exemplarischen Biografien von 100 Frauen und Mädchen, die seit Erdoğans Machtübernahmen 2002 aufgrund seiner Politik ermordet wurden.

 

Neuruppin: Feministisch, antirassistisch, klimagerecht

Unter dem Motto „Gemeinsam verändern wir die Welt ‒ Für eine solidarische Gesellschaft kämpfen” fanden einige Straßenumbenennungen in Neuruppin statt. Besonders geehrt wurde dabei die neu ausgerufene Rosa-Luxemburg-Straße mit ihrem Zitat: „Wer sich nicht bewegt, spürt seine Fesseln nicht”.

Magdeburg: Frauen sind Leben und Leben tötet man nicht

Auch in Magdeburg hieß es „Diese Straße wurde umbenannt, denn Frauen sind Leben und Leben tötet man nicht”. Mit diesen Worten bekamen elf Straßen in der Nacht vom 7. zum 8. März einen neuen Namen. Sie wurden nach Frauen benannt, die vom türkischen Staat ermordet wurden, um ihre Geschichten und Gesichter nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Eine Aktivistin erklärte dazu: „Diesen Frauen wurden ihre Stimmen genommen, wir sehen es in unserer Verantwortung, ihnen eine Stimme zu geben und uns überall gemeinsam vor Feminiziden zu verteidigen. Gemeinsam werden wir die Männlichkeit töten und für die Freiheit aller kämpfen”.

Halle: In Erinnerung an Leyla Şaylemez

In Halle befindet sich nun die Leyla-Şaylemez-Straße, der Meryem-Akyol-Platz und die Nuray-Koçan-Straße. In einer Erklärung heißt es: „Diese Aktion widmen wir vor allem Leyla Şaylemez, welche am 9. Januar 2013 gemeinsam mit Fidan Doğan und Sakine Cansız in Paris ermordet wurde. Leyla kam von Mersin nach Halle und es lässt sich kaum in Worte fassen, wie ihr Leben in der Diaspora als junge kurdische Frau von Widerstand geprägt war. Für uns Menschen in Halle ist sie eine Vorreiterin und ihre Geschichte ist unser Erbe. Deshalb möchten wir mit ihren Worten zum feministischen Kampftag abschließen: ‚Lasst euch nicht unterdrücken, schützt euch. Sonst unterscheidet ihr euch nicht von den Männern'.”

Jena: Solidarisch und kraftvoll in den 8. März

Fünf Straßen benannten Aktivistinnen in Jena um und plakatierten gezeichnete Bilder von den ermordeten Frauen. Sie schicken solidarische und kraftvolle Grüße an alle freiheitskämpfenden Menschen und verdeutlichen in einer Erklärung, dass der feministische Widerstand nur aus einer dekolonialen Perspektive Erfolg haben wird. Dabei erinnern sie sich an alle, die ihr Leben durch patriarchale, koloniale und rassistische Gewalt verloren und jene die ihr Leben im Kampf für die Freiheit gaben.

Berlin: Wir wollen uns und unsere Schwestern lebend

In Berlin plakatierten Aktivistinnen die Bilder der 100 Ermordeten am neu etablierten Widerstandsplatz und benannten die Straßen herum um. In einem Nachbarschaftsflyer schreiben sie: „Deshalb schließen wir uns zusammen und kämpfen Schulter an Schulter mit unseren kurdischen Schwestern gegen die tödliche Politik gegen Frauen weltweit. Wir wollen in einer Gesellschaft leben, in der die Gewalt ein Ende findet und vergessen dabei nicht: „Ich bin nicht frei, solange eine einzige Frau unfrei ist, auch wenn sie ganz andere Ketten trägt als ich” (Audre Lorde). Wir wollen uns und unsere Schwestern lebend und rufen Euch dazu auf, heute noch die Kampagne zu unterzeichnen.”

Die Internationalistin Liv Thiele erklärt anlässlich der Straßenumbenennung in den ostdeutschen Städten: „Wir werten die Aktion als Erfolg, denn sie zeigt, dass wir überregional Seite an Seite für eine Veränderung kämpfen. Wir konnten eine Sichtbarkeit für das Ende der ersten Phase der 100-Gründe-Kampagne schaffen und viele Nachbarinnen und Nachbarn über die feminizidale und koloniale Politik der Staaten informieren und uns gemeinsam mit ihnen austauschen. Wir werden die Gesellschaft vor Feminiziden verteidigen, unsere Kämpfe verbinden und gemeinsam mit unseren kurdischen und allen Schwestern weltweit den Freiheitskampf der Frauen ausweiten. Die Frauenrevolution wird Menschlichkeit und Geschlechterbefreiung ermöglichen. Sie wird zeigen, was Leben bedeutet und Patriarchat, Kapitalismus, Kolonialismus und die damit einhergehenden Ausbeutungs- und Unterdrückungsmechanismen auflösen. Deshalb organisieren wir uns und deshalb ist für uns jeder Tag ein 8. März. Wir kämpfen mit dem Widerstandsgeist unserer ermordeten Freundinnen bis zur Befreiung aller Menschen, denn Widerstand ist Leben und Selbstverteidigung ist legitim!”