Die frühere Parlamentsabgeordnete und stellvertretende HDP-Vorsitzende Aysel Tuğluk ist in ihrer Wohnung in Istanbul festgenommen und nach einer Gesundheitskontrolle für eine richterliche Anhörung in den Justizpalast in Çağlayan gebracht worden. Wie die Juristenvereinigung ÖHD auf der Plattform X mitteilte, wurde als Grund ein Ermittlungsverfahren von 2012 angegeben. Das Verfahren geht auf offenbar zurück auf eine in Colemêrg gehaltene Rede, die als „Terrorpropaganda“ ausgelegt wird. Bei der richterlichen Anhörung sagte die an Demenz erkrankte Politikerin, sie könne sich nicht erinnern und die Fragen nicht beantworten. Danach wurde sie freigelassen.
Vor einem Jahr als haftunfähig aus dem Gefängnis entlassen
Aysel Tuğluk ist vor einem Jahr aufgrund einer schweren Demenzerkrankung aus dem Gefängnis entlassen worden. Die kurdische Politikerin und Rechtsanwältin war Ende 2016 als vermeintliche Terroristin verhaftet und in mehreren Verfahren verurteilt wurden. Im Februar 2020 bestätigte der türkische Berufungsgerichtshof die bislang höchste Freiheitsstrafe gegen Aysel Tuğluk über zehn Jahre Haft. Verurteilt wurde sie aufgrund ihrer Funktion als Ko-Vorsitzende des Graswurzelbündnisses „Demokratischer Gesellschaftskongress” (KCD) wegen „Leitung einer Terrororganisation“. Im Oktober 2021 folgte ein Urteil über zwanzig Monate Freiheitsstrafe wegen vermeintlicher Terrorpropaganda in den Jahren 2012 und 2013. Im sogenannten Kobanê-Prozess in Ankara droht ihr eine erschwerte lebenslange Haftstrafe.
Im Gefängnis ist Aysel Tuğluk so schwer an Demenz erkrankt, dass sie sich nicht mehr selbst versorgen konnte. Frauenorganisationen führten eine monatelange Kampagne für ihre Freilassung. Im Oktober 2022 wurde sie aus dem Gefängnis entlassen, später wurde der Strafvollzug aufgrund ihrer Haftunfähigkeit ausgesetzt.
Aysel Tuğluk ist auch eine der Protagonistinnen in der Dokumentation „Tearing Walls Down”.