Weil er Mitte November 2017 die Anklageschrift gegen einen jungen Kurden auf Facebook in geschwärzter Form gepostet hatte, hat das Amtsgericht München einen Strafbefehl in Höhe von 3000 Euro gegen den Kommunikationswissenschaftler Kerem Schamberger erlassen. Vorgeworfen wird ihm eine „verbotene Mitteilung über Gerichtsverhandlungen“.
„Eine Lappalie, die laut Anwälten fast nie zur Anklage kommt“, erklärt Schamberger und verweist auf die Staatsanwaltschaft München, die „sich in den letzten Jahren durch eine besonders eifrige Verfolgung kurdischer und türkischer Demokrat*innen auszeichnet“. Der Staatsanwaltschaft komme es jedoch darauf an, mit möglichst vielen Ermittlungsverfahren und Anklagen, von denen sie hofft, dass eine schon „durchkommen wird", ein Exempel gegen politisch Unliebige zu statuieren, so Schamberger auf seinem Facebook-Account: „Es ist somit ein politischer Prozess.“
Weitere Anklage mit fast einem Dutzend Vorwürfen
Kerem Schamberger, der gemeinsam mit Michael Meyen das Buch „Die Kurden“ verfasst hat und seit letztem Jahr damit durch Deutschland tourt, hat Rechtsmittel gegen den Strafbefehl eingelegt und stand deshalb im Juni 2018 das erste Mal in dieser Angelegenheit vor Gericht. Die Höhe der Strafe wurde auf 1200 Euro gesenkt, jetzt geht es in die zweite Instanz.
„Insgesamt wird dies aller Wahrscheinlichkeit nach nicht der einzige Prozess für mich im Jahr 2019 sein. Es gibt bereits eine weitere Anklageschrift mit fast einem Dutzend Vorwürfen (immer im Zusammenhang mit Symbolen der YPG-Volksverteidigungseinheiten), allerdings noch keine Festlegung eines oder mehrerer Verhandlungstermine. Und das obwohl es bundesweit diesbezüglich fast nur Freisprüche oder Verfahrenseinstellungen gibt. Selbst in München wurden in den letzten Wochen und Monaten zahlreiche Beschuldigte freigesprochen oder das Verfahren wurde eingestellt (bis auf bei Anselm Schindler, der 4000 Euro Strafe wegen einer YPG-Fahne zahlen soll). Nach wie vor gilt: Es geht den Behörden primär um Einschüchterung und Disziplinierung. Dies wird nicht gelingen, solange wir zusammenstehen.“
Die öffentliche Verhandlung gegen Kerem Schamberger findet am 29. Januar um 10.30 Uhr vor dem Amtsgericht München statt.
Solidarität sichtbar machen
Die deutsche Justiz verfolgt seit geraumer Zeit Menschen, die sich öffentlich mit den Volksverteidigungseinheiten YPG und den Frauenverteidigungseinheiten YPJ solidarisieren oder in den sozialen Medien darüber informieren. Von einigen der Betroffenen ist im letzten Jahr die Kampagne „Solidarität sichtbar machen!“ ins Leben gerufen worden. In einem offenen Brief liefert die Kampagne Antworten auf Fragen, warum sich die deutsche Justiz dazu berufen fühlt, als verlängerter Arm des türkischen Staatspräsidenten Erdoğan zu agieren und was die Bundesregierung dazu bewegt, eine Organisation zu verfolgen, deren militärische Erfolge im Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ auch in der deutschen Öffentlichkeit gefeiert wurden.