Internationalen Wochen gegen das Verschwindenlassen in Haft
In Berlin und Köln ist im Rahmen der vom 17. bis 31. Mai begangenen „Internationalen Wochen gegen das Verschwindenlassen in Haft“ gegen das Morden in staatlicher Obhut protestiert worden. Organisiert von zivilgesellschaftlichen Gruppen, Menschenrechtsinitiativen und Angehörigen von Verschwundenen, stand insbesondere die Forderung nach juristischer Aufarbeitung und internationaler Solidarität im Mittelpunkt.
Berlin: Aktion auf Initiative von ICAD
In Berlin versammelten sich auf Initiative des Internationalen Komitees gegen das Verschwindenlassen in Haft (ICAD) dutzende Aktivist:innen unter dem Motto „Die in Haft Verschwundenen finden, die Täter anklagen“ am Kottbusser Tor.
In Redebeiträgen wurde darauf hingewiesen, dass staatlich forcierte Verschleppungen ein systematisches Mittel autoritärer Regime seien, um politische Opposition zu zerschlagen. Häufig seien die Opfer unter Folter getötet und heimlich verscharrt worden – mit dem Ziel, Angst und Ohnmacht in der Gesellschaft zu erzeugen.
„Gerade in Ländern wie der Türkei wird das gewaltsame Verschwindenlassen seit Jahrzehnten gegen kritische Stimmen eingesetzt. Doch dieses Verbrechen ist international – und muss auch international verfolgt werden“, so eine Sprecherin von ICAD.
Köln: Erinnerung und Widerstand gegen das Vergessen
Auch in Köln wurde mit einer öffentlichen Aktion auf das Schicksal der Verschwundenen aufmerksam gemacht. Die Kundgebung begann mit einer Schweigeminute. Vertreter:innen der Plattform „Stimme der Gefangenen“ (TSP) erinnerten an Opfer türkischer Staatsmorde und nannten Namen wie Hasan Ocak, Ibrahim Kaypakkaya und Ulaş Bayraktaroğlu, sie gedachten aber auch an die PKK-Gründungsmitglieder Ali Haydar Kaytan und Rıza Altun, deren Tod kürzlich bekanntgegeben worden war.
In den Reden wurde der Zusammenhang zwischen repressiven Haftbedingungen – insbesondere in den sogenannten S-Typ-Gefängnissen – und politischen Verschwindenlassen in der Türkei bzw. in Nordkurdistan betont. Die Kampagne „Wir wollen ihn lebend zurück“, initiiert nach dem gewaltsamen Verschwinden von Hasan Ocak, wurde als Beispiel zivilgesellschaftlicher Gegenwehr hervorgehoben.
Hatice Toraman, Mutter des 1991 verschwundenen Hüseyin Toraman, forderte lautstark Gerechtigkeit: „Wir werden nicht schweigen, bis die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen wurden. Unsere Stärke liegt in der Einheit unseres Widerstands.“
Auch Angehörige der 1995 in Kerboran (tr. Dargeçit) von der türkischen Militärpolizei Verschleppten und Ermordeten, der Organisationen AVEG-KON und Partizan betonten die Notwendigkeit, den antifaschistischen Kampf zu intensivieren. Die Bewegung der Samstagsmütter, die in der Türkei seit Jahrzehnten wöchentlich Aufklärung fordern, wurde solidarisch begrüßt.
Gewaltsames Verschwindenlassen
Das gewaltsame Verschwindenlassen zählt zu den schwersten Menschenrechtsverbrechen und wird weltweit insbesondere von autoritären Regimen eingesetzt. In der Türkei sind seit den 1980er Jahren tausende Menschen, vor allem Kurd:innen, nach der Festnahme durch Sicherheitskräfte „verschwunden“. Internationale Menschenrechtsorganisationen fordern seit Langem juristische Aufarbeitung und Anerkennung dieses Verbrechens als Verstoß gegen das Völkerrecht.