Am 22. und 23. Juli wird in Lausanne eine Konferenz veranstaltet, auf der Vertreter:innen kurdischer Parteien und Organisationen und anderer Bevölkerungsgruppen über die Auswirkungen des am 24. Juli 1923 unterzeichneten Lausanner Vertrags diskutieren und eine gemeinsame Haltung entwickeln wollen. Die Veranstalter:innen erwarten über 600 Teilnehmer:innen aus allen vier Teilen Kurdistans. Am ersten Konferenztag findet parallel eine Demonstration gegen das Abkommen statt. Die Abschlusserklärung der Konferenz wird am Montag vorgestellt werden.
Zübeyir Aydar, Exekutivratsmitglied der KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans), ist Teil des Komitees, das seit einem Jahr Veranstaltungen zur kurdischen Sicht auf den Vertrag von Lausanne organisiert. Die Konferenz und die Demonstration am Wochenende sind das Finale der Veranstaltungsreihe. „Der Grund für sämtliches Leid in den vergangenen hundert Jahren war dieses Abkommen. Deshalb wollen wir als Kurdinnen und Kurden deutlich machen, dass wir existieren, dass wir hier sind und dass wir den Vertrag von Lausanne nicht akzeptieren“, erklärt Aydar.
Zübeyir Aydar (KCK): „Eine gemeinsame kurdische Stimme bilden"
Die Konferenzvorbereitungen seien abgeschlossen, sagt der im europäischen Exil lebende kurdische Politiker und fährt fort: „Vor hundert Jahren haben sich die Staaten hier versammelt, aber die Kurden waren nicht vertreten. Die Türken haben in unserem Namen gesprochen und sich als Vertreter der Kurden ausgegeben.“
Aydar weist auf die Bedeutung der parallel zur Konferenz stattfindenden Demonstration am 22. Juli hin, zu der Teilnehmer:innen aus verschiedenen Ländern anreisen werden. Die Abschlusskundgebung wird vor dem Palais Rumine durchgeführt, in dem vor hundert Jahren mit dem Vertrag von Lausanne die Vierteilung Kurdistans besiegelt wurde. „Die Menschen werden ihren Protest gegen das Abkommen zum Ausdruck bringen und sich weltweit Gehör verschaffen. Aus Österreich, Belgien, den Niederlanden, Deutschland und Frankreich werden Hunderte Busse kommen. Es werden nicht nur Kurdinnen und Kurden teilnehmen, alle von diesem Abkommen Betroffenen müssen eine gemeinsame Stimme bilden“, so Zübeyir Aydar.
„Wir lehnen den Vertrag von Lausanne ab“
Zum Ziel der Veranstaltungen am Wochenende erklärt Aydar: „Nach hundert Jahren wollen wir als Parteien, Organisationen und Institutionen aus Kurdistan zusammenkommen, um eine gemeinsame Haltung zu erarbeiten und der Welt mitzuteilen, dass wir dieses schmutzige Abkommen ablehnen. Wir werden die Ergebnisse des Vertrags und die Auswirkungen auf Kurdistan erörtern und dazu Stellung beziehen. Kurdinnen und Kurden aus den vier Teilen Kurdistans und aus der Diaspora werden sich versammeln und mit lauter Stimme an das Gewissen der Menschheit appellieren. Wir werden den Staaten sagen, dass wir hundert Jahre später immer noch existieren und den Lausanner Vertrag zurückweisen. Die Ergebnisse unserer Konferenz werden wir am Ufer des Lac Léman verkünden, vor dem Château d'Ouchy, in dem die Vertragspartner am 24. Juli 1923 gegessen haben.“
Programm der Konferenz
Die Konferenz findet im Kongresszentrum Beaulieu in Lausanne statt. Das Programm des ersten Tages beinhaltet eine feierliche Eröffnung, Redebeiträge und eine visuelle Einführung in das Thema. In der ersten Podiumsdiskussion, die von Selma Irmak und Xelil Xezeri moderiert wird, referieren die Historikerin Dr. Suheyla Qadirî, Prof. Narmen Muhamad Amen Ali von der Universität Selahaddin, Dr. Abdulilah al-Mustafa von der Koordination der Universitäten in der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien und der Autor Mehmet Bayrak zum Thema „Der Vertrag von Lausanne und die Auswirkungen auf Kurdistan“.
Am zweiten Tag finden mehrere Blöcke statt. Kurdê Omer und Seher Aydar moderieren die erste Sitzung mit dem Titel „Die Situation und der Kampf von Frauen“, als Referentinnen sind Münevver Azizoğlu von der Universität Bremen und Nermîn Osman als Vertreterin von Fraueneinrichtungen in Silêmanî eingeladen. In der zweiten Sitzung sprechen der Autor Aydın Aslan und Nayri Muradian über die Auswirkungen auf die Armenier:innen, Assyrer:innen und Chaldäer:innen.
Die letzte Diskussion unter der Moderation von Behre Mohamed Mehmod und Rojan Hazim ist dem seit hundert Jahren andauernden Kampf gegen die Ergebnisse des Lausanner Vertrags gewidmet. Es referieren Prof. Dr. Naif Bezwan von der Universität Wien, Dr. Azad Haji Aghayi von der polnischen Universität Jagiellonian sowie Arêz Abdullah und Dr. Heval Ebubekir. Im Schlussteil soll über die Aufhebung des Vertrags und einen politischen Konsens diskutiert werden. Die Ergebnisse werden am Montag um 10 Uhr vor dem Château d’Ouchy vorgestellt.
Tausende Menschen werden zur Demonstration anreisen
Zu der Demonstration am 22. Juli werden Tausende Menschen erwartet, aus Frankreich, Deutschland, Belgien, Österreich und den Niederlanden wird die Anreise mit Bussen organisiert. Versammlungsbeginn ist um 11.30 Uhr auf dem Place de la Navigation vor dem Château d'Ouchy. Die Demonstration startet um 13 Uhr und führt zum Palais Rumine auf dem Place de la Rippone.
Bei der Abschlusskundgebung treten Redner:innen und Musiker:innen aus allen Teilen Kurdistans auf. Für das Veranstaltungskomitee spricht der ehemalige Ko-Vorsitzende des KCDK-E, Yüksel Koç, weitere Redner:innen sind Blase Cebar Ferman (YNK), Zeynep Murad (KNK), Asya Abdullah (PYD), Ibrahim Alizade (Komala) und Şükran Sincar (TJK-E). Im Musikprogramm sind Şivan Perver, Ozan Cömert, Mizgin Tahir, Necmedin Xulami, Çopi und Nasir Rezazi angekündigt.