Solidarität im EP für inhaftierte Opposition in der Türkei

Mit der Twinning-Initiative „Solidarity with Parliamentarians“ unterstützt das Europäische Parlament Mandatsträgerinnen und Mandatsträger, die mit Bedrohungen und Schikanen konfrontiert sind oder an ihrer Arbeit gehindert werden.

Mit dem Programm „Solidarity with Parliamentarians“ solidarisiert sich das Europäische Parlament (EP) mit Mandatstragenden, die mit Bedrohungen und Schikanen konfrontiert sind. Als „Twinning“-Initiative, die von der grünen EP-Abgeordneten Hannah Neumann initiiert und am Internationalen Tal des Parlamentarismus gestartet wurde, dient das Programm als Instrument innerhalb der globalen EP-Strategie zur Unterstützung der Demokratie. Ziel ist es, Abgeordnete weltweit zu unterstützen, die an ihrer Arbeit gehindert werden, etwa durch unfaire Strafverfahren, Einschüchterungsversuche und Drohungen. Dazu zählen auch Parlamentsabgeordnete, denen zu Unrecht ihr Mandat aberkannt wurde, Mitglieder legitimer Parlamente, die nicht einberufen werden, oder Abgeordnete, die unrechtmäßig verhängte Gefängnisstrafen absitzen. Organisiert wird das Programm von der Koordinierungsgruppe „Demokratieförderung und Wahlen“ des Parlaments.

Im Rahmen der Initiative haben EP-Abgeordnete Partnerschaften mit bedrohten Mandatstragenden oder ehemaligen Abgeordneten übernommen. Hannah Neumann unterstützt die philippinische Politikerin Sarah Elago, die erste weibliche Vertreterin der Kabataan (Parteiliste der Jugend) im Repräsentantenhaus ist und als Kritikerin des Regimes von Rodrigo Duterte immer wieder Opfer von Diffamierungskampagnen der Polizei und Armee wird.

Der französische EP-Abgeordnete Raphaël Glucksmann unterstützt den Ex-Abgeordnete Nathan Law aus Hongkong. Der Demokratie-Aktivist war bei seiner Wahl 2016 der jüngste Parlamentarier in der Geschichte der früheren britischen Kronkolonie. Doch verlor er seinen Sitz ein Jahr später, als ein Gericht befand, dass er seinen Amtseid nicht aufrichtig geleistet habe. Gegen ihn lief zuletzt auch ein Verfahren wegen illegaler Versammlung. Er flüchtete 2020 nach Großbritannien, wo er in diesem Jahr politisches Asyl erhielt.

Solidarisch mit inhaftierter Opposition in der Türkei

Die Solidarität innerhalb des Europäischen Parlaments gilt auch für die inhaftierte Opposition in der Türkei. Der irischer Sinn Féin-Politiker Chris MacManus ist eine Partnerschaft mit der früheren HDP-Vorsitzenden Figen Yüksekdağ eingegangen. Die türkische Politikerin ist Mitgründerin der Sozialistischen Partei der Unterdrückten (Ezilenlerin Sosyalist Partisi, ESP) und war bis September 2014 deren Vorsitzende. Nach der Niederlegung ihres Amtes trat sie zur HDP über. Noch im gleichen Jahr schloss sich die ESP der als Dachpartei mehrerer Kleinparteien fungierenden HDP an. Auf dem zweiten HDP-Kongress wurde Figen Yüksekdağ am 22. Juni 2014 zur Ko-Vorsitzenden gewählt. Zeitgleich mit Selahattin Demirtaş und zahlreichen weiteren HDP-Abgeordneten wurde Figen Yüksekdağ am 4. November 2016 auf Betreiben des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan verhaftet. Seitdem befindet sie sich im Hochsicherheitsgefängnis Kandıra in der westtürkischen Provinz Kocaeli unter Terrorvorwürfen in Untersuchungshaft. Sie ist eine von insgesamt 108 Angeklagten, denen im sogenannten Kobanê-Verfahren wegen staatsfeindlicher Umtriebe, Mord und versuchtem Mord in dutzenden Fällen im Zusammenhang mit den Kobanê-Protesten im Oktober 2014 mehrmals erschwerte lebenslange Haft droht.

Nikolaj Villumsen solidarisiert sich mit Leyla Güven

Der dänische EP-Abgeordnete Nikolaj Villumsen solidarisiert sich mit Leyla Güven. Die kurdische Politikerin ist Ko-Vorsitzende des Graswurzelbündnisses „Demokratischer Gesellschaftskongress” (KCD). Vergangenes Jahr wurde sie kurz vor Weihnachten wegen vermeintlicher PKK-Mitgliedschaft zu mehr als 22 Jahren Haft verurteilt. Begründet wurde die Strafe unter anderem mit „matriarchalem Gedankengut“. Wenige Monate zuvor war ihr das Abgeordnetenmandat entzogen worden. Im November erhielt Leyla Güven eine weitere Gefängnisstrafe: Fünf Jahre Haft für vermeintliche Terrorpropaganda.

Nacho Sanchéz-Armor verteidigt Ömer Gergerlioğlu

Der Türkei-Berichterstatter der EU, Nacho Sanchéz Amor, hat sich für eine solidarische Partnerschaft mit dem HDP-Abgeordneten Ömer Faruk Gergerlioğlu entschieden. Dem Arzt und Menschenrechtler war im März aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung wegen „Terrorvorwürfen“ das parlamentarische Mandat entzogen worden. Er wurde gewaltsam von der Polizei aus dem Parlament geholt und Anfang April in seiner Wohnung verhaftet. Gergerlioğlu klagte vor dem türkischen Verfassungsgerichtshof gegen den Entzug seines Abgeordnetenmandats und gewann. Nach fast dreimonatiger Haft wurde er am 6. Juli entlassen und beantragte beim Parlamentspräsidium die erneute Anerkennung als Abgeordneter. Mit Erfolg.

Jordi Solé setzt sich für Musa Farisoğulları ein

Der katalanische EP-Abgeordnete Jordi Solé setzt sich im Rahmen des Programms für Musa Farisoğulları ein. Dem kurdischen Politiker, der bis Juni vergangenes Jahres Abgeordneter der HDP war, war zeitgleich mit Leyla Güven das Abgeordnetenmandat entzogen worden. Kurz darauf wurde auch er verhaftet. Zur Begründung wurde eine Haftstrafe über neun Jahre aus den sogenannten KCK-Verfahren herangezogen. In einem weiteren Verfahren, das gegen Farisoğulları derzeit anhängig ist, drohen dem Politiker bis zu 26 Jahre Gefängnis.