Sacharow-Preis: Familie von Jina Mahsa Amini an Ausreise gehindert

Das iranische Regime hat der Familie von Jina Mahsa Amini untersagt, zur Verleihung des Sacharow-Preises nach Frankreich zu fliegen. Mit dem Preis hatte das EU-Parlament die Kurdin, die Opfer eines staatlichen Feminizids wurde, posthum geehrt.

Das iranische Regime hat die Familie von Jina Mahsa Amini daran gehindert, zur Verleihung des Sacharow-Preises nach Frankreich zu fliegen. Ihre französische Anwältin Chirinne Ardakani teilte mit, man habe Aminis Eltern und ihrem Bruder gestern Abend verboten, an Bord des Flugzeuges zu steigen, um das Land zu verlassen. Der Familie sei die Ausreise aus Iran trotz eines gültigen Visums untersagt worden. Auch seien ihre Pässe beschlagnahmt worden, erklärte Ardakani. Stellvertretend für die Familie wird wohl ihr kurdischer Rechtsanwalt Saleh Nikbakht den Preis entgegennehmen.

Die Kurdin Jina Mahsa Amini war im September 2022 zu Besuch in Teheran, als sie von der iranischen Sittenpolizei wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Kleiderordnung des islamistischen Mullah-Regimes festgenommen wurde. Kurze Zeit darauf starb die 22-Jährige in Polizeigewahrsam – nach Angaben ihrer Familie wurde sie gewaltsam in einen Polizeiwagen gezerrt und auf ein Revier gebracht, wo sie kurze Zeit später infolge von weiteren Misshandlungen kollabierte und ins Koma fiel. Am 16. September 2022 erklärten Ärzte einer Teheraner Klinik Amini für tot.

An Jina Mahsa Aminis Tod entzündete sich die landesweite „Jin, Jiyan, Azadî“-Revolution, bei der Frauen an vorderster Front standen. Die Bewegung stellte die bislang größte Bedrohung der Islamischen Republik Iran seit ihrem Bestehen dar. Vor allem die junge Generation ging über Monate hinweg gegen die repressive Politik der islamischen Führung auf die Straße. Der Staatsapparat ließ die Demonstrationen gewaltsam niederschlagen.

Mehr als 550 Menschen, darunter mindestens 68 Minderjährige und 49 Frauen, wurden damals nach Angaben verschiedener Menschenrechtsorganisation von Regimekräften im Zusammenhang mit dem Aufstand getötet. Tausende wurden verletzt und Zehntausende festgenommen. Acht männliche Demonstranten wurden seither wegen ihrer Teilnahme an der Volksrevolte hingerichtet. Als Zeichen des stillen Protests ignorieren bis heute viele Frauen die Kopftuchpflicht – in diesem Ausmaß hat es das in Iran zuvor noch nicht gegeben.

Das Europaparlament hatte Jina Mahsa Amini im Oktober posthum mit dem Sacharow-Preis für Demokratie und Menschenrechte geehrt, der jährlich am 10. Dezember verliehen wird. Mit ihr wurde die durch Aminis Tod ausgelöste „Jin, Jiyan, Azadî“-Bewegung gewürdigt. Die Zeremonie ist für den 13. Dezember im Plenarsaal des EU-Parlaments in Straßburg geplant. Der Sacharow-Preis für geistige Freiheit wird seit 35 Jahren an Persönlichkeiten oder Organisationen verliehen, die sich für die Menschenrechte und die Meinungsfreiheit einsetzen. Er ist mit 50.000 Euro dotiert.

Titelbild: Demonstration gegen das iranische Regime im Oktober 2022 in Stockholm | Shnoyi Mendan