Nachdem der Kreiswahlausschuss am Montag bekannt gab, die Kandidatur von Mehmet Nuri Güneş für das Amt des Ko-Bürgermeisters in der nordkurdischen Stadt Reşqelas (tr. Iğdır) und von Emine Yöndem Kartal für die Gemeinde Xoşxeber (Hoşhaber) bei der Kommunalwahl am 31. März nicht zu akzeptieren, kam es in der Provinzhauptstadt zu Protesten.
Auf Druck der Regierungspartei AKP war Güneş die Kandidatur verweigert worden. Der DEM-Partei-Politiker war zwar in der Vergangenheit wegen „Mitgliedschaft in der PKK“ verurteilt worden, die Strafe wurde aber bereits vollstreckt und das Gericht hatte der vollen Wiederherstellung seiner Rechte und damit seiner Kandidatur zugestimmt.
Scheindemokratisches Gremium Kreiswahlausschuss
Der Kreiswahlausschuss ist an den Hohen Wahlausschuss (YSK) angeschlossen, besteht aber im Gegensatz zum Hohen Wahlausschuss auch aus Parteivertreter:innen. Er hat in der Regel sechs Mitglieder. Dabei kommen offiziell vier aus den politischen Parteien und zwei von Seiten des Staates. Der höchste Richter der Region hat den Vorsitz inne und kann im Fall der Stimmengleichheit die Wahl entscheiden. Aufgrund der Kontrolle des AKP/MHP-Regimes über die Justiz hat so der Staat in dem Ausschuss immer die Mehrheit. Da AKP-Vertreter, Richter und Beamter in der Regel gemeinsam abstimmen und so immer eine Mehrheit, bzw. einen Gleichstand gegenüber den drei im Ausschuss vertretenen Vertreter:innen besitzt. So geschah es auch in Reşqelas.
Regime entscheidet über Kandidaturen
Die Vertreter:innen der DEM-Partei, IYI-Partei und der CHP hatten der Kandidatur von Güneş zugestimmt. Der Beamte und der Richter im Wahlausschuss lehnten die Kandidatur ab. Der AKP-Vertreter war nicht anwesend und ließ sich offenbar durch einen weiteren Beamten vertreten. So kam es zum Patt, das dazu führte, dass der Richter von seiner Kompetenz im Falle einer Stimmengleichheit seinen Ermessensspielraum zu nutzen Gebrauch machte und die Kandidatur von Güneş annullierte.
Die Kandidatur von Emine Yöndem Kartal wurde wegen Geldstrafen, die sie wegen der Teilnahme an Protestkundgebungen erhalten hatte, abgelehnt.
Der Kreiswahlausschuss hat die Begründung ihrer Entscheidung noch nicht vorgelegt. Die Anwält:innen der DEM-Partei haben angekündigt, Widerspruch einzulegen.
Proteste in Reşqelas
Nach der Entscheidung des Ausschusses versammelten sich DEM-Partei-Anhänger:innen vor dem Wahlbüro im Viertel Söğütlü in Reşqelas. Die Protestierenden stellten fest, dass es zuvor keinerlei Einsprüche gegen die Kandidatur der Gesperrten gegeben habe, dass man aber offensichtlich nun versuche, aufgrund ihrer Beliebtheit, ihre Teilnahme an den Wahlen zu blockieren. Die Entscheidung sei auf Druck der AKP gefallen. Parteivertreter:innen kündigten an, dass sie die Entscheidung beim Hohen Wahlausschuss anfechten würden. Es wurde bekanntgegeben, dass auch die Kandidatur von Mehmet Şah, Ahmet Emin Can, Turan Kaya, Evren Zenci und Yaşar Kalay für den Stadtrat abgelehnt wurde.
Demonstration durch die Stadt
Anschließend zogen die Menschen durch die Stadt und riefen immer wieder „Îdir schlaf nicht, tritt für deinen Willen ein“, „Das Volk wird von der AKP Rechenschaft verlangen“ und „Durch Widerstand werden wir siegen“. Die Proteste sollen am Dienstag weitergehen.