Rechtsbüro Asrin kritisiert CPT-Bericht

Für das Istanbuler Rechtsbüro Asrin erscheint der Bericht des Antifolterkomitees zur Lage Abdullah Öcalans und seiner drei Mitgefangener auf Imrali „mangelhaft”. Zu „zaghaft” werde auf das in dem Inselgefängnis umgesetzte Foltersystem hingewiesen.

Das Istanbuler Rechtsbüro Asrin hat eine Stellungnahme zum jüngsten Bericht des Antifolterkomitees des Europarats (CPT) über die Situation von Abdullah Öcalan und seiner Mitgefangenen Ömer Hayri Konar, Hamili Yıldırım und Veysi Aktaş im Inselgefängnis Imrali abgegeben. Die Kanzlei nennt den Bericht des CPT über die Inspektion vor etwas mehr als einem Jahr „mangelhaft”, dennoch sei er in einigen Aspekten bedeutsam, da er, wenn auch mit einer „zaghaften Sprache”, auf das auf Imrali angewandte Foltersystem hinweise. Asrin fordert den Ausschuss jedoch unmissverständlich auf, wirksamere Mechanismen in Kraft zu setzen, die Misstände auf der Gefängnisinsel im Marmarameer aus dem Weg räumen. Die Menschenrechtsverstöße und Willkür auf Imrali hätten sich längst institutionalisiert, Besuche von Delegationen und Berichte spiegelten nicht die tatsächlichen Dimensionen der Rechtsverletzungen wider, unterstreicht Asrin. Das Anwaltsbüro verlangt vom CPT sowie einschlägigen internationalen Menschenrechtsorganisationen zudem erneut, im Hinblick auf Imrali endlich ihre Mission zu erfüllen und gemäß ihrer Verantwortungen zu handeln.

Bei dem Gefängnis auf Imrali handelt es sich um eine geschlossene Hochsicherheits-Strafvollzugsanstalt vom Typ F. Diese Gefängnisse wurden in erster Linie zur Unterbringung von Angehörigen militanter Organisationen erbaut. Zudem dienen sie der Verwahrung von Strafgefangenen, die zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit verschärftem Vollzug verurteilt wurden. Diese Art der Freiheitsstrafe ersetzt die in der Türkei seit dem Jahr 2002 abgeschaffte Todesstrafe und dauert grundsätzlich bis zum Tod des Verurteilten an.

Imrali: Rechtswidriges System ohne legale Grundlage

In seiner Erklärung weist das Rechtsbüro Asrin darauf hin, dass seit Öcalans Inhaftierung auf Imrali ein rechtswidriges System ohne legale Grundlage herrscht, das weder internationale Konventionen, noch das türkische Strafrecht respektiert. Die Isolation dort existiert von Beginn an, auch wenn sich von Zeit zu Zeit die Dimensionen verändern. Bis 2009 war Öcalan sogar der einzige Häftling auf Imrali. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sah darin einen Verstoß gegen das „Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung“ und verurteilte die Türkei im Jahr 2014.

„Ein weiterer Aspekt, der im CPT-Bericht hervorsticht, ist die Tatsache, dass das den Imrali-Gefangenen ab 2011 bzw. 2014 auferlegte Kontaktverbot mit ihren Rechtsanwälten und Familienangehörigen Gegenstand eines langjährigen intensiven Dialogs zwischen dem Antifolterkomitee und den türkischen Behörden gewesen zu sein scheint. Das CPT definiert die Abschottung der Gefangenen von ihrer Außenwelt als ‚Isolationshaft‘ [Incommunicado] und stellt mit großer Besorgnis fest, dass diese Situation auch nach der Aufhebung des Ausnahmezustands (im Juli 2018) anhielt. In dem Bericht wird festgehalten, dass dieser Umstand nicht akzeptabel ist und eindeutig gegen verschiedene internationale Menschenrechtsinstrumente und -standards verstößt.”

Wenige Tage vor dem Besuch der CPT-Delegation im Inselgefängnis Imrali im vergangenen Mai hatten die Rechtsanwälte Abdullah Öcalans erstmals nach rund acht Jahren ihre vier Mandanten besuchen können. „Das CPT zeigt sich zwar erfreut darüber, erwähnt allerdings mit keinem Wort, dass das Besuchsverbot auf Imrali erst infolge eines monatelangen Hungerstreiks von tausenden politischen Gefangenen vom Justizministerium aufgehoben wurde”, kritisiert Asrin. Seit letztem August besteht jedoch wieder eine Kontaktsperre für Öcalan und seine Mitgefangenen. Keiner der wöchentlich gestellten Besuchsanträge wurde von den türkischen Behörden seitdem positiv beantwortet.

Asrin: CPT soll seine Mission nicht vergessen

Weiter unterstreicht das Rechtsbüro Asrin: „In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass das CPT die Türkei auf die Notwendigkeit hinweist, ein tragfähiges System regelmäßiger Besuche von Familienmitgliedern und Anwälten für alle Gefangenen, die auf Imrali inhaftiert sind, zu entwickeln, und die türkischen Behörden auffordert, innerhalb von drei Monaten in ihren Antwortstellungnahmen Auskunft über die Maßnahmen zu geben, die getroffen wurden oder geplant sind, um die Empfehlungen des CPT umzusetzen.”

Die jüngsten Berichte des CPT und die Antworten der türkischen Behörden wurden auf Antrag der türkischen Regierung veröffentlicht. Asrin mahnt, das Antifolterkomitee des Europarats solle nicht vergessen, dass es eine „Institution für die Wahrung der Menschenrechte” ist, und nicht für den „Schutz der Rechte von Staaten”. Die Öcalan-Anwälte kritisieren, dass das CPT aus diplomatischen Gründen an Genehmigungs- oder Bestätigungsmechanismen festhalte und dabei seine überstaatliche Position vernachlässige. „Das CPT hat eine einzige Aufgabe: Folter und unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe zu verhindern. So steht es in seinem Gründungsabkommen.”

Abschließend führt Asrin aus: „Zu unserem Bedauern hat das CPT in den vergangenen 21 Jahren wiederholt erklärt, dass es verschärfte Durchsetzungsmechanismen hinsichtlich Imrali für unrechtmäßig hält und Lösungen durch Bittgesuche fordert. Zweifellos haben Staaten eine nötigende Macht, weshalb die Geschichte der Menschenrechte verschiedene und wirksame Methoden entwickelt hat. Falls ein Staat aber die Zusammenarbeit verweigert oder es ablehnt, die Situation im Sinne der Empfehlungen des Komitees zu verbessern, kann das CPT beschließen, dazu eine sogenannte öffentliche Erklärung abzugeben. Der Artikel 10/2 der Antifolter-Konvention gewährt das Recht und die Aufgabe, eine Vertragspartei zu öffentlich zu denunzieren, die beharrlich gegen die Menschenrechte verstößt.

Zuletzt sei gesagt, dass der Besuch und der Bericht des CPT als eine der effizientesten Institutionen, die berechtigt sind, Imralı zu inspizieren, von großer Bedeutung sind. Dieser Besuch hat einmal mehr, wenn auch mit diplomatischer Sprache, bewiesen, dass das Isolationssystem auf Imrali auf der Grundlage eines Folterregimes umgesetzt wird. Leider spiegeln Besuche und Berichte allein nicht die tatsächliche Dimension in der gegenwärtigen Situation wider, da Unrechtmäßigkeit und Willkür institutionalisiert sind und die einschlägige Praxis täglich vertieft wird. Auf dieser Grundlage fordern wir das CPT und alle internationalen Menschenrechtsorganisationen auf, wirksamere Mechanismen in Kraft zu setzen und ihre Verantwortung für die Zustände auf Imrali zu übernehmen.”

Die neuesten CPT-Berichte

Das Komitee des Europarates zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) hat am Mittwoch zwei Berichte über die Türkei veröffentlicht, und zwar über den periodischen Besuch 2017 und den Ad-hoc-Besuch 2019. Im Rahmen der Besuche sollten vor allem die Behandlung und die Inhaftierungsbedingungen von Menschen untersucht werden, die von der Polizei oder der Gendarmerie festgehalten werden. Zu diesem Zweck befragte die CPT-Delegation Hunderte Personen, die kurz davor in den Regionen Ankara, Amed (türk. Diyarbakır) und Istanbul in Polizeigewahrsam festgehalten worden waren, etwa aufgrund des Verdachts von Straftaten im Zusammenhang mit Terrorismus.

Die Delegation besuchte zudem mehrere stark überbelegte Gefängnisse in Istanbul und in Gebieten in Nordkurdistan. Bei dem Besuch im Jahr 2017 wurde besonderes Augenmerk auf die Lage von in zwei Sondergefängnissen in Istanbul und Izmir festgehaltenen Personen gelegt, die an psychischen Störungen oder chronischen körperlichen Krankheiten litten. Einen Folgebesuch in der Hochsicherheits-Strafvollzugsanstalt Typ F auf der Insel Imrali führte das CPT in der Zeit vom 6. bis 17. Mai 2019 durch. Dabei sollten die Inhaftierungsbedingungen aller festgehaltenen Personen untersucht werden sowie die praktische Umsetzung ihres Rechts, von Verwandten und Anwälten besucht zu werden. Ein weiterer Gegenstand des Besuchs im Jahr 2017 war die Lage von Menschen mit nichttürkischer Staatsangehörigkeit (auch von Minderjährigen), die in mehreren Abschiebezentren in Istanbul und Izmir festgehalten wurden.