Polizeirazzia und Festnahmen bei HDP in Êlih

Der politische Vernichtungsfeldung des türkischen Staats gegen die demokratische Opposition hält unvermindert an. In Êlih wurde der Provinzverband der HDP von der Polizei gestürmt. Die beiden Ko-Vorsitzenden wurden festgenommen.

Die türkische Regierung dreht die Repressionsschraube gegen die Demokratische Partei der Völker (HDP) weiter an. In der nordkurdischen Provinzhauptstadt Êlih (türk. Batman) stürmten Polizei und Antiterroreinheiten am Freitagabend die Parteizentrale des Provinzverbands und durchsuchten rund zwei Stunden die Räumlichkeiten. Die Razzia wurde damit begründet, dass ein Transparent mit dem Konterfei des kurdischen Vordenkers Abdullah Öcalan von außen zu sehen gewesen sei. Dieses sowie Bilder von Sakine Cansız und Haki Karer, zwei zentrale Identifikationsfiguren der kurdischen Befreiungsbewegung, sowie digitale Speichermedien wurden beschlagnahmt. Zum Zeitpunkt der Durchsuchung befanden sich unter anderem die HDP-Abgeordneten Ayşe Acar Başaran, Mehmet Rüştü Tiryaki, Nejdet İpekyüz sowie einige Anwält*innen im Gebäude. Vorstands- und Parteimitgliedern wurde der Zutritt in die Parteizentrale verwehrt, die Polizei hatte das Gebäude weiträumig abgeriegelt. Im Anschluss an die Razzia wurden die beiden Provinzverbandsvorsitzenden Fatma Ablay und Ömer Kulplu festgenommen. Was ihnen zum Vorwurf gemacht wird, ist unklar.

Beschlagnahmtes Öcalan-Bild nach Razzia in Êlih

Pandemie als Instrument für Zerschlagung kurdischer Politik

Der politische Vernichtungsfeldzug der türkischen Regierung gegen die demokratische Opposition hat sich im Schatten der Corona-Krise noch einmal verschärft. Staatspräsident Erdoğan nutzt die Pandemie als Machtinstrument, die legale kurdische Politik zu zersetzen. Der HDP-Jugendrat äußerte jüngst, dass die AKP/MHP-Regierung die Pandemie als „Gnade Allahs“ betrachte. „Sie ignoriert die aus der Pandemie entstandene soziale Krise und bemüht sich gleichzeitig, die Opposition im Land zu ersticken und den Faschismus zu institutionalisieren“, sagte ein Vertreter vom Exekutivausschuss des Jugendrats am Mittwoch in Amed. Mit Blick auf das neue Vollzugsgesetz, das während der Pandemie vom türkischen Parlament verabschiedet wurde und eine vorzeitige Entlassung politischer Gefangene explizit ausschließt, wurde kritisiert, dass Gewalttäter und andere Kriminelle freigelassen werden, während erst kürzlich Aktivistinnen des Frauenvereins Rosa, die sich gegen Gewalt an Frauen engagierten, verhaftet worden.

Kurdische Frauenbewegung im Visier

In Amed sind letztes Wochenende zwölf Personen als mutmaßliche Mitglieder einer Terrororganisation verhaftet worden. Gegen insgesamt 18 Personen wird im Rahmen eines Verfahrens gegen den Frauenverein Rosa ermittelt. Das Verfahren beruht formal auf den Aussagen namentlich nicht benannter Zeugen. Der Frauenverein Rosa wurde 2018 als Anlaufstelle für von Gewalt betroffene Frauen gegründet und stellt nach der staatlich verordneten Schließung aller städtischen Fraueneinrichtungen die einzige Institution dar, an die Frauen sich bei Beratungs- und Unterstützungsbedarf wenden können. Laut einer anonymen Zeugenaussage, die den Beschuldigten im Verhör vorgelegt wurde, soll der Verein gegründet worden sein, um Mitglieder für eine Terrororganisation – die PKK – zu werben, indem er öffentlichkeitswirksame Themen wie Femizide und Gewalt an Frauen benutzt.

Nur noch zwölf HDP-Bürgermeister im Amt

Von den 65 kurdischen Kommunen, die bei der Wahl am 31. März 2019 von der HDP gewonnen wurden, werden inzwischen 45 von staatlich ernannten Treuhändern verwaltet. Gegen fast 30 gewählte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister erging Haftbefehl, 21 von ihnen sitzen im Gefängnis. In sechs Kommunen konnten die gewählten Bürgermeister*innen ihr Amt gar nicht erst antreten, weil der Wahlausschuss ihnen die Anerkennung verweigerte. An ihrer Stelle wurden die unterlegenen AKP-Kandidaten ins Amt gehievt, die immer wieder durch Raub und Korruption von sich reden machen. Gegen zwei Bürgermeister leitete die HDP selbst Amtsenthebungsverfahren ein. Somit verbleiben insgesamt nur noch zwölf im Amt.