In einer Schule in Jena hat am Montag eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Proteste und Aufstände“ stattgefunden. Auf dem Podium saßen eine Aktivistin der Kampagne Women Defend Rojava, ein Mitglied von „Tren Maya stoppen“, ein Zeitzeuge der DDR und der Jenaer Oberbürgermeister Thomas Nitzsche (FDP). Ziel war es, über unterschiedliche lokale und internationale Formen des Widerstands gegen autoritäre Regime, sowie Möglichkeiten der demokratischen Partizipation ins Gespräch zu kommen.
Es nahmen ungefähr 100 Schüler:innen der Oberstufe an der Veranstaltung teil und stellten viele Fragen an die Aktivist:innen und Vortragenden. Thematisiert wurden bei der Diskussionsrunde auch der aktuelle Angriffskrieg der Türkei auf das revolutionäre Gesellschaftsprojekt in Nord- und Ostsyrien, die gezielte Zerstörung von ziviler Infrastruktur und das dröhnende, absurde Schweigen der Bundesregierung sowie der deutschen Medienlandschaft gegenüber der Gewalt in der auch als Rojava bekannten Region.
„Das alles hat eine Struktur und sie heißt Kapitalismus“
Stark kritisiert von den Schüler:innen und Aktivist:innen wurde die Aussage des Oberbürgermeisters, dass solche Projekte wie der Tren Maya in Deutschland niemals möglich wären. Als Gegenbeispiele wurde die Zerstörung des Dorfes Lützerath und der Wälder Hambacher Forst und Dannenröder Forst genannt. Ein Redner ordnete dies mit den Worten ein: „Das alles hat eine Struktur und sie heißt Kapitalismus. Es geht um wirtschaftliche Interessen, die hinter der Unterstützung der Deutschen Bahn bei dem Megaprojekt Tren Maya oder den deutschen Waffenlieferungen stehen, die gegen Rojava eingesetzt werden. Es geht nicht um Moral oder Ethik, es geht um Profite. Und genau die gleichen Strukturen der Umweltzerstörung, die sich über den Willen der Gesellschaft hinwegsetzt, finden wir auch hier in Deutschland.“
Auf die Frage, was es denn in Deutschland bräuchte, um wirklich etwas zu verändern und nachhaltigen Protest zu üben, wurde das Konzept des demokratische Konföderalismus in Rojava und die gesellschaftliche Organisierung der Zapatistas als mögliche Perspektive ins Zentrum gerückt: „Es braucht den Widerstand aus der Gesellschaft heraus, es braucht das Verständnis darüber, was die globalen Ungerechtigkeiten mit uns und dem System, in dem wir groß geworden sind, zu tun haben. Deswegen braucht es auch Basisorganisierung, Bildung und den Aufbau von Alternativen, die tatsächliche Lösungen für gesellschaftliche Probleme bieten. Das ist das, was wir aus der Revolution in Rojava und Chiapas lernen können: die Lösungen müssen aus der Gesellschaft selbst kommen.“
PKK-Verbot muss weg
Dass etwa die Rojava-Revolution strukturellen Angriffen ausgesetzt ist, für die Deutschland eine direkte Verantwortung trägt, wurde ebenfalls betont. Diese deutsche Beteiligung finde nicht nur vor Ort statt, sondern auch hier, etwa durch die Kriminalisierung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) als Terrororganisationen. Das PKK-Verbot in Deutschland gelte als zentraler Grundpfeiler der Repression gegen die kurdische Freiheitsbewegung im Allgemeinen in der Bundesrepublik. „Deshalb braucht es die Aufhebung des Verbots der PKK“, forderte eine Aktivistin, die sich damit direkt an eine Aussage des Oberbürgermeisters richtete, der Aktionen zu Rojava und zur Verteidigung dieser Revolution zwar positiv zu bewerten schien, andererseits sich selbst als Kommunalpolitiker aus der Verantwortung zog, Position zu beziehen. In einem entsprechenden Appell an Nitzsche hieß es daher, dass der kontinuierliche und völkerrechtswidrige Beschuss des türkischen Regimes in Rojava zu verurteilen sei.
Großes Interesse an Projekt Rojava als Alternative
Des Weiteren wurde der sogenannte Rechtsruck und die immer weiter zunehmende Stärke der AfD diskutiert. Die Schüler:innen wurden dazu aufgerufen, sich gegen Faschismus und Nationalismus zu organisieren und antifaschistischen Widerstand zu leisten.
Das Interesse an der tatsächlichen Art der Organisierung in Rojava als Alternative hinsichtlich der Probleme in Deutschland, sowie die Aktionen der Kampagne „Tren Maya stoppen“ wurde durch zahlreiche Nachfragen deutlich. „Es sollten öfter so Veranstaltungen stattfinden, die außerhalb des Lehrplans sind, um das Wissen zu erweitern und auch mal was ganz anderes zu erfahren. All das heute waren Themen, von denen ich noch nie gehört habe“, so ein Schüler zum Ende der Veranstaltung. Die Motivation, weiter über die Inhalte mit Mitschüler:innen und Freund:innen zu diskutieren und all die Ideen und Gedanken, die sie zu den Inhalten hatten mitzunehmen war sehr groß. „Auch wenn ich vieles noch nicht verstehe, gibt mir das die Motivation, auch was zu machen und aktiv zu werden“, betonte eine Schülerin.
Zum Abschluss wurde den Schüler:innen viel Mut dabei gewünscht sich zu wehren, sich zu organisieren und Widerstand gegen die nationalistischen Strukturen unserer Gesellschaft zu leisten – und Antworten auf ihre Fragen in den weltweiten Bewegungen gegen Faschismus, Patriarchat, Ökozid und Kapitalismus zu suchen.