Am Mittwoch führten Aktivist:innen der Kampagne „Women Defend Rojava“ eine mehrstündige Mahnwache vor dem Hamburger Landesstudio des ZDF durch. Mit Flyern, Transparenten und in Gesprächen mit Passant:innen und Mitarbeiter:innen des ZDF riefen die Frauen den Fernsehsender dazu auf, über die Angriffe der türkischen Armee auf die Gesellschaft und zivile Infrastruktur in Nord- und Ostsyrien zu berichten.
Pressesprecherin Olga Berg berichtete von der Aktion: „Viele Passant:innen waren es müde, über Krieg zu sprechen. Einige benannten die Grausamkeit der tobenden Kriege und die Einseitigkeit der Berichterstattung der Medien. Den meisten war jedoch das Ausmaß des türkischen Angriffskriegs nicht bewusst. Denn in den Medien bleiben diese Angriffe, die in den letzten Wochen ganze 80 Prozent der zivilen Infrastruktur in Nord- und Ostsyrien zerstört haben, meist unerwähnt.“
Mitarbeiter des ZDF kritisiert eigene Rundfunkanstalt
„Es ist sehr unzufriedenstellend, wie die Medien entscheiden, worüber berichtet wird“, kritisierte auch ein Mitarbeiter des ZDF die eigene Rundfunkanstalt. „Dann gibt es ein großes Thema und alle Medien ziehen da mit. Das ist ein Tunnelblick, den die Medien in Deutschland haben, durch den viele wichtige Themen keine Erwähnung finden. Dazu gehört auch die Situation in Syrien.“
Am 4. Oktober begann die türkische Armee eine erneute Angriffswelle auf die Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens. Die Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens berichtet, dass ein großer Teil der zivilen Infrastruktur der Region zerstört wurde. So wurden laut den Berichten zwei Krankenhäuser zerstört, zahlreiche Elektrizitätswerke, Ölstandorte und Wasseranlagen angegriffen und außer Betrieb gesetzt. Es wird vom Tod von 44 Menschen berichtet, darunter Zivilist:innen und Kinder.
Großes Schweigen zu türkischen Angriffen
„Zivile Infrastruktur anzugreifen, ist ein klarer Verstoß gegen die Genfer Konvention und verstößt damit gegen das Völkerrecht“, urteilt Ursula Becker, Teilnehmerin der Kundgebung. „Doch die deutsche Bundesregierung und viele weitere schweigen zu den Angriffen und stärken Erdoğan den Rücken. Dem Erdoğan, der die aktuellen Angriffe der islamistischen Hamas auf die Bevölkerung Israels ganz offen unterstützt. Die Unterstützung der Bundesregierung sollte nicht Erdoğan, sondern dem demokratischen Projekt in Nordostsyrien gelten, wo Basisdemokratie und Frauenrechte in den Mittelpunkt gestellt werden.“
Symbole der YPG und YPJ am Welt-Kobanê-Tag verboten
Die Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens wird von der Bundesrepublik nicht offiziell anerkannt. „Im Gegenteil, die demokratische Bewegung in der Region Nord- und Ostsyriens wird in Deutschland kriminalisiert. Auch heute wurden die Symbole der YPG und YPJ auf unserer Mahnwache verboten, da sie ‚terroristische Organisationen‘ seien“, berichtet Berg. „Dabei sind dies jene militärischen Einheiten, die eine wesentliche Rolle darin spielten, den so genannten ‚Islamischen Staat‘ in Syrien und Irak zu besiegen. Bis heute kämpfen sie in Zusammenarbeit mit der internationalen Anti-IS-Koalition gegen ein Wiedererstarken der islamistischen Terrororganisation. Gerade heute am Welt-Kobanê-Tag ist die Kriminalisierung der Symbole der YPG und YPJ extrem respektlos. Dass sie verboten werden, ist an den Haaren herbeigezogen und stellt eine neue Entwicklung dar“, so eine Aktivistin von Women Defend Rojava.