Seit dem 30. April befinden sich 15 politische Gefangene im Todesfasten gegen die Isolation des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan. Zuvor hatten sich die Gefangenen mehrere Monate an dem unbefristeten Hungerstreik beteiligt, der von der HDP-Abgeordneten Leyla Güven im November des vergangenen Jahres initiiert wurde. Angesichts der lebensbedrohlichen Phase, in der sich der Hungerstreik mit dem Todesfasten einzelner Gefangener nun befindet, appelliert die Demokratische Partei der Völker (HDP) in einem offenen Brief an die internationale Staatengemeinschaft, ihren politischen Einfluss auf die Türkei mit Nachdruck auszuüben, damit die Forderungen der Hungerstreikenden erfüllt werden.
Der Brief, verfasst vom außenpolitischen Sprecher und stellvertretenden Ko-Vorsitzenden der HDP, Hişyar Özsoy, lautet:
„Leyla Güven, die Ko-Vorsitzende des Demokratischen Gesellschaftskongresses DTK und HDP-Abgeordnete der Provinz Hakkari (kurdisch: Colemêrg), trat am 7. November 2018 in einen Hungerstreik, um gegen die Isolation von Abdullah Öcalan und den drei weiteren Gefangenen, die auf der Gefängnisinsel Imrali inhaftiert sind, zu protestieren. Dem Hungerstreik von Frau Güven haben sich neben den HDP-Abgeordneten Dersim Dağ, Tayip Temel und Murat Sarısaç mehrere tausend politische Gefangene in der Türkei sowie Aktivist*innen und Politiker*innen in der Föderalen Region Kurdistan (KRG, Südkurdistan/Nordirak), in Deutschland, Wales, Frankreich, Kanada und anderen Ländern angeschlossen.
Abdullah Öcalan war zwischen den Jahren 2013 und 2015 Chefunterhändler der kurdischen Bewegung im Friedensprozess. Als die türkische Regierung im April 2015 den Friedensprozess beendete, wurde er von der Gesellschaft isoliert. Dies hat seitdem zur Folge, dass die Behörden ihm Besuche von seinem Rechtsbeistand, seinen Angehörigen und anderen Personen verweigern. Er darf weder telefonieren noch Briefe versenden oder empfangen.
Das Komitee zur Verhütung der Folter (CPT) und die Parlamentarische Versammlung des Europarates (PACE) haben wiederholt betont, dass die Isolationshaftbedingungen Abdullah Öcalans gegen die Artikel 3 und 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen und die Türkei und ihre Behörden aufgefordert sicherzustellen, dass alle Gefangenen des Hochsicherheitsgefängnisses von Imrali auf Wunsch Besuche ihrer Angehörigen und Anwält*innen erhalten können.
Obwohl sich der Gesundheitszustand der Hungerstreikenden nach Monaten des Nahrungsentzuges dramatisch verschlechtert hat, ignorieren die türkischen Behörden auch weiterhin ihre Forderungen. Angesichts dessen haben 15 politische Gefangene in vier Gefängnissen ihren Hungerstreik am 30. April in ein ‚Todesfasten‘ umgewandelt. Bei diesen Gefangenen handelt es sich um:
-Nesrin Akgül, Şükran Aydin, Zozan Çiçek (Frauengefängnis Bakırköy)
-Ardil Çeşme, Asli Doğan (Frauengefängnis Gebze)
-Ahmet Aniği, Özhan Ceyhan, Vedat Özağar, Ihsan Bulut, Erol Çelik (Hochsicherheitsgefängnis Van/Wan)
-Engin Akhan, Enver Durmaz, Ahmet Topkaya, A. Haluk Kaplan, Ferhat Turgay (D-Typ-Gefängnis Diyarbakir/Amed).
Nesrin Akgül nahm ihren Hungerstreik am 15. Januar 2019 auf, alle weiteren 14 todesfastenden Gefangenen beteiligten sich seit dem 1. März 2019 am Hungerstreik.
Im Gegensatz zu den ‚einfachen‘ Hungerstreikenden, die weitaus mehr Flüssigkeit und auch Vitamin-B-Präparate zu sich nehmen, trinken die Gefangenen im Todesfasten weniger Wasser, das lediglich etwas Salz und Zucker beinhaltet.
Diese 15 politischen Gefangenen, die bereits nach Monaten des Hungerstreiks körperlich ausgemergelt sind, werden mit Wahrscheinlichkeit nicht mehr lange leben, sofern die türkische Regierung auch weiterhin keine dringenden Maßnahmen ergreift, die gegen Abdullah Öcalan unrechtmäßig verhängte Isolationshaft aufzuheben. Seit Ende März haben bereits acht Gefangene ihrem Leben ein Ende gesetzt, um gegen diese Isolationspolitik zu protestieren.
Wir rufen die internationale Staatengemeinschaft daher erneut auf, nicht zu schweigen und gleichgültig zu bleiben, sondern initiativ zu werden, damit diese Situation überwunden werden kann. Das Ende der Isolationspolitik wird zur Normalisierung des politischen Lebens in der Türkei beitragen, den demokratischen Dialog fördern und hoffentlich zur Wiederaufnahme des Friedensprozesses führen, damit die kurdische Frage gelöst werden kann“.