Bundestagsabgeordnete Cansu Özdemir
Die Bundestagsabgeordnete Cansu Özdemir (Die Linke) hat die Bundesregierung dazu aufgefordert, den Friedensprozess in der Türkei aktiv zu unterstützen und das PKK-Verbot in Deutschland grundlegend zu überdenken. Angesichts der Selbstauflösung der PKK Anfang Mai sprach sie von einem „historischen Moment“, den die Politik nicht ungenutzt verstreichen lassen dürfe.
„Ein Friedensprozess wurde eingeleitet – und die deutsche Regierung könnte eine sehr wichtige und positive Rolle spielen“, sagte Özdemir im Gespräch mit ANF. Besonders kritisch sieht sie die Festnahme des kurdischen Aktivisten Yüksel Koç in Bremen – trotz der Auflösung der PKK. „Die neue Bundesregierung hat damit bereits angedeutet, welchen Weg sie einzuschlagen gedenkt – und das ist ein bedenkliches Signal.“
Öcalan als Schlüsselfigur
Özdemir fordert zudem politischen Druck auf die türkische Regierung, um die Freilassung des inhaftierten PKK-Gründers Abdullah Öcalan zu erwirken. „Er ist der zentrale Akteur in diesem Prozess“, so die Abgeordnete. Seine fortgesetzte Isolation auf der Gefängnisinsel Imrali widerspreche dem Geist eines ernst gemeinten Friedensprozesses. „Die Bundesregierung sollte hier klar Position beziehen.“
Rechtliche Neubewertung des PKK-Verbots gefordert
Kritik äußert Özdemir auch am Umgang mit dem 1993 verhängten PKK-Verbot in Deutschland. Angesichts der Selbstauflösung der Organisation sei es „juristisch nicht nachvollziehbar“, dass das Verbot weiterhin Grundlage für Repressionen gegen kurdische Aktivist:innen und Vereine sei. Sie betonte, dass die Thematik in Form von mehreren parlamentarischen Anfragen im Bundestag verfolgt wird. „Wir sprechen von zwei Millionen Kurd:innen, die zum Teil in vierter oder fünfter Generation in Deutschland leben“, sagte Özdemir. „Diese Menschen pauschal zu kriminalisieren, ignoriert ihren Beitrag zur Gesellschaft – ökonomisch, kulturell und politisch.“
Kritik an Ungleichbehandlung
Die Abgeordnete kritisierte auch, dass kurdische Vereine und kulturelle Initiativen kaum staatliche Unterstützung erhielten, während türkische Einrichtungen regelmäßig gefördert würden – trotz wachsender Einflussnahme durch den türkischen Staat. „Viele kurdische Vereine leisten Bildungsarbeit, bieten Beratungen an und fördern den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie verdienen dieselbe Anerkennung wie andere Migrant:innengruppen“, so Özdemir.
Zudem kritisierte sie repressive Maßnahmen wie die Beschlagnahmung kurdischsprachiger Bücher und das Verbot von Newroz-Feiern als Ausdruck einer verfehlten Integrationspolitik. „Deutschland braucht ein neues Konzept im Umgang mit der kurdischen Community.“
Symbolik von „Jin, Jiyan, Azadî“
Mit Blick auf den kurdisch-feministischen Slogan „Jin, Jiyan, Azadî“ („Frau, Leben, Freiheit“), der im Zuge der Proteste gegen den Feminizid an Jina Mahsa Amini in Iran auch in Deutschland Popularität gewann, warf Özdemir der Politik Doppelmoral vor. „Der Ursprung dieses Leitspruchs liegt in der Philosophie Abdullah Öcalans. Wer sich auf diese Werte beruft, muss auch bereit sein, die politische Realität dahinter anzuerkennen – einschließlich des Beitrags der kurdischen Bewegung.“