Protest im Justizpalast von Aleppo

Nach einem gewaltsamen Übergriff auf einen Untersuchungsrichter in Aleppo durch Angehörige des Sicherheitsapparats der Übergangsregierung haben Richter:innen und Anwält:innen mit einem Sitzstreik auf die Einmischung in die Justiz reagiert.

In Aleppo haben Richter:innen und Anwält:innen am Montag ihre Arbeit niedergelegt und ein Sit-in im Justizpalast abgehalten. Die Protestaktion entzündete sich an einem gewaltsamen Übergriff gegen einen Untersuchungsrichter, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR).

Der Vorfall trug sich nach Angaben der Beobachtungsstelle am Sonntag zu. Der Richter Ahmad Haskal wurde demnach während der Inspektion eines Tatorts innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs vom Sicherheitsdienst der Universität Aleppo brutal misshandelt. Über 24 Stunden sei der Mann von dem Personal, das sich aus dem Sicherheitsapparat der syrischen Übergangsregierung zusammensetzt, festgehalten worden. Erst als sein Zustand äußerst kritisch war, habe man ihn wieder freigelassen.


Aus Protest gegen den Angriff blieben heute sämtliche Gerichtsverhandlungen in Aleppo aus. Stattdessen versammelten sich die Jurist:innen im Gebäude des Justizpalasts, um ein deutliches Zeichen der Solidarität mit ihrem Kollegen zu setzen. Die angespannte Lage eskalierte weiter, als schwer bewaffnete „Sicherheitskräfte“ in den Justizpalast eindrangen und versuchten, die Protestaktion zu beenden. Die Beobachtungsstelle berichtet von einer aggressiven Atmosphäre, auch wenn es zunächst keine Berichte über Festnahmen gab.

Kluft zwischen Exekutive und Justiz

Der Vorfall und die darauf folgende Protestaktion werfen ein Schlaglicht auf die zunehmenden Spannungen zwischen der Exekutive – insbesondere dem Sicherheitsapparat der Übergangsregierung – und der Justiz in Syrien. Die Beobachtungsstelle spricht von einem tiefgreifenden Vertrauensverlust in das Rechtssystem, der durch wiederholte Eingriffe von Regimekräften in richterliche Entscheidungen weiter verschärft werde.

Forderung nach Konsequenzen

Die protestierenden Richter:innen und Anwält:innen fordern eine umfassende Aufklärung des Vorfalls sowie juristische Konsequenzen für die beteiligten Sicherheitskräfte. Außerdem sei die Regierung aufgefordert, die Integrität der Justiz zu wahren und deren Unabhängigkeit gegenüber exekutiven Eingriffen zu garantieren. Die syrische Regierung äußerte sich bislang nicht zu den Vorfällen.