Leyla Güven in Amed festgenommen

Die heute zu einer mehr als 22-jährigen Freiheitsstrafe verurteilte kurdische Politikerin Leyla Güven ist in einer Wohnung in Amed festgenommen und an das Gericht überstellt worden. Nach Verlesung des Urteils wird sie in ein Gefängnis gebracht.

Die kurdische Politikerin Leyla Güven ist am Abend in einer Wohnung in Amed (tr. Diyarbakir) festgenommen worden. Momentan findet ihre Überstellung an ein Gericht zwecks Verlesung des Urteils gegen die 56-Jährige statt. Die ehemalige Parlamentsabgeordnete wurde am Montag in Abwesenheit zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von 22 Jahren und drei Monaten verurteilt. Unter anderem wurde sie der „Bildung und Führung einer Terrororganisation” – gemeint ist die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – beschuldigt. Die HDP bezeichnete die Haftstrafe gegen Güven als ein konkretes Beispiel für die Anwendung des Feindstrafrechts gegen die kurdische Gesellschaft. Bei ihrer Festnahme in der Wohnung der HDP-Abgeordneten Semra Güzel sagte Güven: „Ich gehe nirgendwo hin. Ich werde weiterhin Politik in diesem Land machen, im Gefängnis oder draußen.“

Das Gericht begründete den Vorwurf damit, dass Güven Ko-Vorsitzende der Organisation „Demokratischer Gesellschaftskongress“ (ku. Kongreya Civaka Demokratîk, KCD) ist, einem Dachverband politischer Parteien, zivilgesellschaftlicher Organisationen, religiöser Gemeinden sowie Frauen- und Jugendorganisationen, der sich als gesellschaftlicher Gegenentwurf zu staatlichen Strukturen versteht und sich – gestützt auf Räte- und Basisdemokratie – Konzepte zur Selbstorganisierung der Bevölkerung und Alternativen der kommunalen Selbstverwaltung erarbeitet. Darüber hinaus ordnete das Gericht Güvens sofortige Verhaftung an.

Weitere Anklagepunkte gegen die Politikerin lauteten auf „Anstachelung der Bevölkerung zu rechtswidrigen Versammlungen und Demonstrationen” sowie „unbewaffnete Teilnahme an rechtswidrigen Demonstrationen, die sich trotz Aufforderung nicht zerstreuten”. Hier geht es um Reden Güvens auf Kundgebungen und Demonstrationen gegen die türkische Invasion im nordsyrischen Kanton Efrîn Anfang 2018. Das Urteil gegen die KCD-Vorsitzende basiert im Wesentlichen auf den Aussagen der Kronzeugin Evindar Oruç. Am letzten Verhandlungstag Ende Oktober hatte sie ihre Aussage jedoch zurückgezogen und angegeben, sie habe Leyla Güven weder gekannt noch getroffen. Sie wisse auch nicht, ob Güven eine Verbindung zur PKK habe. Sie habe dies nur zuvor behauptet, da ihr bei einem polizeilichen Verhör signalisiert worden sei, dass der Staatsanwalt ihr in ihrem Verfahren behilflich sein könne, falls sie die nun Verurteilte belaste.

„Zu flüchten steht im Widerspruch zu meiner Persönlichkeit“ - Leyla Güven bei ihrer Festnahme

Überstellung an Gefängnis in Amed erwartet

Mit der Verlesung des Urteils ist zu erwarten, dass Leyla Güven am Dienstag in ein Gefängnis gebracht wird, vermutlich in eine Vollzugsanstalt in Amed. Die Politikerin kommt nicht zum ersten Mal in Haft. 2009 wurde sie im Rahmen der international kritisierten „KCK-Operationen” verhaftet und kam erst nach fünf Jahren wieder frei. Zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung war Güven Bürgermeisterin der kurdischen Stadt Wêranşar (Viranşehir).

Im Januar 2018 wurde sie erneut in Untersuchungshaft genommen, diesmal wegen ihrer Kritik am Angriffskrieg gegen Efrîn. Damals erlangte sie auch internationale Bekanntheit, als sie im November des selben Jahren eine 200-tägige Hungerstreikbewegung für die Aufhebung der Isolationshaftbedingungen für den seit 1999 auf der Gefängnisinsel Imrali inhaftierten PKK-Gründer Abdullah Öcalan, an der sich zuletzt über 7.000 Menschen beteiligten, initiierte. Vergangenen Juni wurde sie erneut verhaftet, nur wenige Stunden nachdem das Parlament in Ankara ihnen ihr Mandat und damit auch ihre Immunität entzogen hatte. Als Begründung wurde das inzwischen rechtskräftige Urteil im KCK-Verfahren herangezogen.


Korrekturhinweis: In einer ersten Version hieß es, die Festnahme Leyla Güvens sei in ihrer eigenen Wohnung in Amed erfolgt. Tatsächlich hielt sie sich zum Zeitpunkt der Festnahme in der Wohnung der HDP-Abgeordneten für Amed, Semra Güzel, auf.