Am Montag haben Bundeskanzler Olaf Scholz und die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Reem Alabali-Radovan, Vertreter:innen von migrantischen Dachverbänden und Selbstorganisationen ins Bundeskanzleramt eingeladen, um „nicht über sie, sondern mit ihnen zu sprechen.“ Vor dem Hintergrund „menschenverachtender Überlegungen von Umsiedlungen“ von Rechtsextremen, die im Januar vom gemeinnützigen Recherchezentrum Correctiv enthüllt worden waren, sicherte der SPD-Politiker Menschen mit Migrationshintergrund und Einwanderungsgeschichte volle Unterstützung zu und begrüßte die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus.
Eingeladen zu dem Treffen waren „Opfer von Antisemitismus und Antiziganismus, Organisationen und gesellschaftliche Gruppen von Migrantinnen und Migranten, Vertreterinnen und Vertreter von Migrantenorganisationen sowie Netzwerke von Menschen mit Einwanderungsgeschichten“. Eine Gruppe, die ausgeschlossen wurde, war die kurdische Community. Darauf verweist KON-MED als bundesdeutscher Dachverband kurdischer Einrichtungen, dem rund 250 Organisationen, darunter Räte, Kommunen sowie Kultur- und Sportvereine, angehörigen. Zwar begrüße man den Schritt von Scholz prinzipiell. Dennoch wolle KON-MED zum Ausdruck bringen, dass die Auswahlkriterien bezüglich der eingeladenen Verbände und Vereine nicht transparent seien.
„Eine solche Initiative ist begrüßenswert, doch nicht ausreichend“, erklärt Kerem Gök, Ko-Vorsitzender von KON-MED. „Auch wenn Dachverbände, die zahlreiche Organisationen vertreten, eingeladen waren, stellt sich die Frage, wie es sich mit der Auswahl von Vereinen verhält, die eine eindeutige ethnische Zugehörigkeit aufweisen.“ Gök verweist hier auf einige Gefahren: „Die Selektion generiert Probleme, die sich zu den bestehenden addieren. Als größter Dachverband der kurdischen Community sehen wir uns bei dem Treffen nicht repräsentiert. In Anbetracht der institutionellen Exklusion der kurdischen Gemeinschaft auf zahlreichen Ebenen - ein Beispiel sind die multilingualen Veröffentlichungen des Bundes zu Covid-19, die erst verspätet und nur sporadisch auf Kurdisch erfolgten - ist dies besonders problematisch.“
Staatsministerin Reem Alabali-Radovan erklärte zu dem Treffen: „Viele im Land merken, dass unsere Demokratie durch rechtsextreme Kräfte bedroht wird. Gerade Menschen mit Einwanderungsgeschichte.“ In diesem Kontext sei auch der Aspekt des innermigrantischen Rassismus wichtig, der besonders deutlich die kurdische Migrationscommunity betreffe, meint Gök. „Es wäre genau deshalb ein wichtiges Zeichen gewesen, uns einzubinden.“ Er verweist hierbei zudem auf die aktuelle Debatte um die Partei DAVA, die mit ihrer AKP-Nähe vor allem auch antikurdische Ressentiments schüre und nicht zu einem friedlichen Miteinander beitragen werde.
Mit den Worten Alabali-Radovans gehe die Bundesregierung „den Kampf gegen Rechtsextremismus entschlossen“ an. „Wir haben Vereinsverbote verhängt, Gesetze für ein schärferes Waffenrecht und gegen Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst gemacht“, erklärte die Integrationsbeauftrage nach dem gestrigen Treffen. Kerem Gök findet, dass dringend ein Verbot aller Organisationen aus dem Spektrum der Grauen Wölfe als Ausdruck des Kampfes gegen türkischen Rechtsextremismus geboten sei, denn: „Der Kampf gegen Rechtsextremismus ist nur gemeinsam zu schaffen. Politische Exklusion muss insbesondere im kurdischen Kontext überwunden werden. KON-MED hat ein großes, sehr progressives gesellschaftspolitisches Potential, das es auf allen Ebenen einzubinden gilt.“