Vor dem Oberlandesgericht Naumburg hat am Dienstag das Verfahren gegen die IS-Rückkehrerin Leonora Messing begonnen. Der Prozess, der im Justizzentrum von Halle verhandelt wird, findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die heute 22-jährige Angeklagte hatte sich als 15-Jährige im März 2015 aus Deutschland abgesetzt, um sich in Syrien der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) anzuschließen. Vorgeworfen werden ihr die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Verstöße gegen das Kriegswaffenkontroll- und das Waffengesetz.
Messing war mit Martin Lemke, einem der hochrangigsten deutschen IS-Mitglieder, verheiratet. Im Januar 2019 wurde er zusammen mit Messing und einer weiteren Ehefrau im Verlauf der Befreiungsoffensive „Gewittersturm Cizîrê“ nahe der irakischen Grenze von den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) festgesetzt, nachdem sie vor der Einnahme der letzten IS-Bastion Baghouz geflohen waren.
Ezidin und ihre Kinder „gewinnbringend verkauft“
Messing wird von der Generalbundesanwaltschaft vorgeworfen, von 2015 bis 2017 in Raqqa „entsprechend den ihr nach der Ideologie des IS obliegenden Pflichten den Haushalt versehen“ und damit Lemke in seiner Arbeit für den IS gefördert zu haben. Weiter soll sie selbst gegen Bezahlung für die Terrormiliz gearbeitet und Frauen von IS-Kämpfern bespitzelt haben. Messing wird außerdem beschuldigt, zusammen mit ihrem Mann eine vom IS 2014 aus Şengal verschleppte Ezidin und ihre Kinder gekauft und gewinnbringend als Sklavin weiterverkauft zu haben. Aus diesem Grund ist sie wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt.
2020 im Rahmen von Rückführungsprotokoll übergeben
2020 wurde Messing von der Selbstverwaltung in Nordostsyrien den deutschen Behörden übergeben. Die Aktion wurde als „Geheimoperation“ deklariert, um aus Rücksicht auf die Türkei jeglichen öffentlichen Kontakt zwischen Bundesregierung und Selbstverwaltung zu dementieren. Sie war jedoch eine der wenigen deutschen IS-Anhängerinnen, die im Rahmen eines Rückführungsprotokolls zwischen der Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien und der Bundesrepublik Deutschland zurückgeholt wurden. Zu der Rückholung nach Deutschland war das Auswärtige Amt gerichtlich verpflichtet worden.
Auf freiem Fuß wegen „guter Sozialprognose“
Bei ihrer Ankunft in Frankfurt am Main wurde sie zunächst durch Beamte des LKA Sachsen-Anhalt verhaftet. Nach etwa drei Wochen wurde der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt und Messing kam Anfang Januar 2021 wegen günstiger Sozialprognose wieder auf freien Fuß.
Für das Verfahren sind zunächst 22 Verhandlungstage angesetzt. Wie hoch die Strafe für sie ausfallen kann, hängt unter anderem damit zusammen, ob Messing nach Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht verurteilt wird.