„Imrali, Qendîl und Dolmabahçe waren Standbeine einer Lösung"
Die HDP-Vorsitzende Pervin Buldan hat sich zur Diffamierungskampagne gegen ihre Partei geäußert und die Regierung für die getöteten Kriegsgefangenen in Gare verantwortlich gemacht.
Die HDP-Vorsitzende Pervin Buldan hat sich zur Diffamierungskampagne gegen ihre Partei geäußert und die Regierung für die getöteten Kriegsgefangenen in Gare verantwortlich gemacht.
Pervin Buldan, Ko-Vorsitzende der Demokratischen Partei der Völker (HDP), hat sich auf der Fraktionssitzung ihrer Partei in Ankara zur staatlichen Diffamierungskampagne gegen die HDP und dem gescheiterten Angriff der türkischen Armee auf das Guerillagebiet Gare in Südkudistan geäußert.
„Wir werden weiter Gerechtigkeit einfordern“
Die Regierung versuche sich im Nachgang der Militäroperation in Gare aus der Verantwortung zu ziehen, erklärte Buldan weiter. Bei der Operation sind zwölf Kriegsgefangene der PKK und ein vorübergehend verhafteter irakischer Staatsangehöriger aus Südkurdistan getötet worden. Die HDP werde in dieser Sache weiterhin Gerechtigkeit einfordern, so Pervin Buldan: „Gare ist ein wichtiger Bruchpunkt. Wäre eine andere Partei an der Regierung und die AKP in der Opposition, dann würde sie wegen Gare einen Aufstand veranstalten. ‚Verantwortlich für die Toten ist die Regierung‘, würde es heißen. Genau das machen wir als HDP. Wir fordern im Namen der Bevölkerung Gerechtigkeit von der Regierung. Und wir werden sie weiter einfordern.“
Die AKP-Regierung ist verantwortlich
Weiter sagte Buldan: „Die Regierung ist dafür verantwortlich, die Menschen nicht tot, sondern lebendig zurückzubringen. Deshalb ist die AKP-Regierung für das, was in Gare unternommen oder unterlassen wurde, verantwortlich. Gare ist ein deutliches Beispiel dafür, in welche Art von Katastrophen das Land hineingezogen werden wird von einer Regierung, die sich mit Kriegspolitik an der Macht zu halten versucht. In Gare konnten wir alle erneut sehen, wie politische Arroganz und Machtdemonstrationen zu einem Bewusstsein führen, das dem Leben der eigenen Bürger keinerlei Wert beimisst. Wie in der Vergangenheit auch, bleibt die Regierung seit einer Woche eine Antwort schuldig auf die Fragen der Öffentlichkeit, der HDP und der restlichen Opposition, warum keine Schritte zur Rettung dieser Menschen gemacht wurden. Die Regierung läuft vor Gare weg, weil sie schuldig ist.“
Die drei Standbeine des Lösungsprozesses: Imrali, Qendîl, Dolmabahçe
Pervin Buldan sprach im öffentlichen Teil der Fraktionssitzung auch die Rufmordkampagne gegen ihre Partei und insbesondere die HDP-Abgeordneten Dilan Dirayet Taşdemir und Ömer Faruk Gergerlioğlu an. Innenminister Süleyman Soylu hat in den vergangenen Tagen im Parlament und im Fernsehen Bilder von HDP-Abgeordneten in Qendîl zur chauvinistischen Stimmungsmache benutzt. Buldan wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es sich bei den Fotos um Aufnahmen aus der Zeit des Friedensprozesses handelt. Die HDP-Delegation habe sich dort im Wissen von Regierungschef Tayyip Erdogan aufgehalten, sagte Buldan: „Der damalige Lösungsprozess hatte drei Standbeine: Imrali, Qendil und die Regierung bzw. der Staat. Alle Gespräche mit Abdullah Öcalan auf Imrali haben im Wissen und Einverständnis der Regierung stattgefunden. Nach den Besuchen auf Imrali sind wir nach Qendîl gegangen. Das geschah ebenfalls mit staatlichem Einverständnis. Bei unserer Rückkehr haben wir die Ergebnisse dieser Gespräche der Delegation des Staates und der Regierung übermittelt. Die staatliche Delegation hat diese Informationen noch vor uns an Herrn Öcalan weitergeleitet. Danach ist wieder unsere Delegation nach Imrali gereist und Herr Öcalan hat uns den Rahmen seines Gesprächs mit der staatlichen Delegation übermittelt, die wir wiederum an die PKK in Qendîl weitergegeben haben.“
Die HDP-Vorsitzende zeigte in diesem Zusammenhang auch ein Foto aus der damaligen Zeit, das die staatliche Abordnung zusammen mit der HDP-Delegation am 28. Februar 2015 beim „Dolmabahçe-Abkommen“ zeigt. Bei dem Abkommen handelte es sich um einen Zehn-Punkte-Plan, der den Rahmen für die Friedensverhandlungen zwischen dem türkischen Staat und der PKK festlegte. Das Abkommen wurde später einseitig vom türkischen Staat aufgekündigt. Buldan erklärte, dass die Fotos aus Imrali, Qendîl und Dolmabahçe allgemein bekannt sind und den gleichen Zweck abbilden.
„Wenn die Regierung glaubt, sich mit Diffamierung und Lügen aus der Verantwortung stehlen zu können, dann irrt sie sich. Was wir in der Zeit des Lösungsprozesses getan haben, würden wir heute wieder tun. Zu gegebener Zeit werden wir öffentlich machen, was uns damals versprochen worden ist“, erklärte die HDP-Vorsitzende Pervin Buldan.
Tag der Muttersprache: Pluralismus verteidigen!
Zwei Tage nach dem internationalen Tag der Muttersprache betonte Buldan außerdem die Notwendigkeit der Verteidigung von Muttersprachen: „Jeder Angriff auf die Sprachen und jeder Versuch der Assimilierung ist ein Angriff auf die Existenz des Menschen selbst. Deshalb ist der Kampf für die Muttersprache unersetzlich. Mit dem Bewusstsein, dass ein Leben mit der eigenen Sprache der beste Weg zur Verteidigung der Muttersprache ist, haben wir in unserer Partei ein Bildungsprogramm für die kurdische Sprache begonnen. Als HDP werden wir weiter überall für Pluralismus und kulturelle Vielfalt kämpfen und für muttersprachliche Bildung eintreten, um so die Vielfarbigkeit gegenüber der Idee der Einheitlichkeit zu verteidigen.“