Die Guerilla berichtet: Was geschah in Gare?

Aufnahmen aus Gare zeigen die Spuren der türkischen Invasion in Gare, die von den Soldaten zurückgelassenen Gegenstände und die Höhle, in der 13 Kriegsgefangene ums Leben gekommen sind. Drei Guerillakämpfer berichten von ihren Erlebnissen.

Die türkische Armee hat am 10. Februar eine Invasion im Gebiet Gare in Südkurdistan gestartet und musste sich angesichts des Widerstands der Guerilla am 14. Februar zurückziehen. Nach Angaben der Kommandantur des zentralen Hauptquartiers der Volksverteidigung wollte der türkische Staat mit der viertägigen Bombardierung und dem Einsatz von Luftlandetruppen eine dauerhafte Besatzung des Gebiets erreichen und die Kriegsgefangenen der Guerilla in die Hand bekommen. Dafür kamen über vierzig Kampfbomber und Dutzende Drohnen zum Einsatz. Bei der Invasion sind 15 Guerillakämpfer*innen gefallen, sechs davon im Gefangenenlager Siyanê. Zwei Hubschrauber wurden von der Guerilla unter Beschuss gesetzt und mussten sich aus dem Gebiet entfernen. Die Guerillakommandantur bezeichnete den Widerstand in Gare als historisches Ereignis, in dem die HPG sich mit ihrer Willensstärke und kreativer Taktik gegen die modernste Waffentechnologie durchgesetzt habe.

Aufnahmen des gescheiterten Besatzungsversuchs

 

Nach der Niederlage der türkischen Armee sind die von der Bombardierung verursachten Zerstörungen und auf der Flucht aufgegebenes militärisches Material der Soldaten zurückgeblieben. Der Guerillakämpfer Hogir Med zeigt in Gare auf gespaltene Felsen, entwurzelte Bäume und die sichergestellten militärischen Gegenstände und berichtet von den Orten, an denen besonders heftige Gefechte stattgefunden haben.

Nach der heftigen Bombardierung mit Dutzenden Kampfjets wollte die türkische Armee Soldaten aus Hubschraubern absetzen, berichtet Hogir Med: „Diese Rechnung ist nicht aufgegangen. Als die Soldaten abgesetzt werden sollte, stießen sie auf den Widerstand der Guerilla. In den türkischen Medien ist von einigen getöteten Offizieren berichtet worden, aber das spiegelt nicht die gesamte Wahrheit wider. Die Verluste waren viel höher. Der türkische Staat will die Öffentlichkeit und die eigene Gesellschaft immer mit Lügen täuschen. Weil er sein Ziel nicht erreicht hat, wurde behauptet, dass es sich nur um eine lokale Operation als Probe für eine Invasion in Qendîl gehandelt habe. Auf diese Weise wollte er sein Versagen vertuschen.“

Der Guerillakämpfer zeigt auch das Gefangenenlager und sagt: „Offenbar hat hier ein großes Massaker stattgefunden, die gefangenen Soldaten sind von den eigenen Leuten getötet worden. Zunächst wurde versucht, die Gefangenen als Zivilisten zu präsentieren, aber das war nicht die Wahrheit.“

Weil die Soldaten im Gebiet nicht standhalten konnten, sei die Gegend heftig bombardiert worden, erzählt Hogir Med und weist auf herumliegende Bombensplitter: „Bei dem ersten Luftlandeversuch hat die Armee Verluste gehabt und gleich im ersten Moment einen Schock erlitten. Die Soldaten wussten nicht, was sie tun sollten. Sie konnten sich hier nicht halten. Durch den Widerstand der Guerilla wurden sie bedrängt und mussten daher auf noch intensivere Bombardierungen zurückgreifen. Sie haben Gas einsetzt. Die Gefangenen hier sind durch das Gas und die Bombardierung getötet worden. Sie sind exekutiert worden und die Schuld dafür sollte uns zugeschoben werden. Unsere Freundinnen und Freunde haben mit den Guerillataktiken der neuen Zeit auf den Einsatz von Waffentechnologie reagiert und dem Feind harte Schläge verpasst. Hier haben drei Tage lang heftige Gefechte stattgefunden, die Guerilla hat großen Widerstand geleistet. Unsere Kräfte haben überall Aktionen gemacht und zum Schluss musste sich die Armee aus dem Gebiet zurückziehen. Mit der neuen Kampfweise der Guerilla wird der Feind auch weiterhin schwer getroffen werden.“

Wie Hogir Med berichtet, hat die türkische Armee Bäume gefällt, um das Gebiet kontrollieren zu können. Er zeigt auf zurückgelassene Säcke, die von den Soldaten mitgebracht wurden, um Stellungen zu bauen. Auch Schaufeln, Hacken und Beile sind zurückgeblieben. Die Guerilla habe den Soldaten keine Gelegenheit gegeben, Stellungen zu bauen, sagt Hogir. Unter den sichergestellten Materialien sind auch Handschuhe, Gaskartuschen, Waffenmagazine, Gasmasken, Tarnkleidung, Handgranaten, Westen, Konserven und Erste-Hilfe-Ausrüstung.

Ein feiger Feind, der nicht kämpfen kann“

 

Die Guerillakämpfer Mîrkan Karker und Şoreş Zeryan berichten davon, wie sie die Invasion erlebt haben. Der Angriff habe um drei Uhr nachts begonnen, erzählt Karker: „Alle Punkte sind heftig bombardiert worden. An der Stelle, an der wir waren, sind über zehn Bomben eingeschlagen. Als Guerilla können wir dazu sagen, dass es nicht schwer ist, dagegen Schutzmaßnahmen zu treffen. Das ist ein Problem für den Staat. Als wir das Gebiet verlassen haben, waren knapp zehn Aufklärungsdrohnen über uns. Wir sind gruppenweise gegen den Feind vorgegangen. Es ist ohnehin ein feiger Feind, er kann nicht kämpfen.“

Das Gebiet sei von Kampfjets und Hubschraubern bombardiert worden, erzählt der Guerillakämpfer weiter: „Was wir hier gesehen haben, ist die Tatsache, dass selbst Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen nicht gegen den Willen der Guerilla ankommen. Wir haben die Angst des Feindes gesehen. Wir haben auch die Opferbereitschaft unserer Freundinnen und Freunde gesehen.“

Karker trägt Tarnkleidung. Während er erzählt, sind manchmal Stimmen aus seinem Funkgerät zu hören. Er legt seine Waffe auf seine Knie und fährt fort: „Die Soldaten wollten uns einkreisen, stattdessen haben wir sie eingekesselt. Sie konnten nicht mehr fliehen und wurden von allen Seiten beschossen. In Gare hat ein gewaltiger Krieg stattgefunden. In diesem Krieg ist die Willensstärke der Guerilla sehr deutlich geworden. Beim Feind haben wir gesehen, dass er keinen Willen und keine Überzeugung hat.“

Karker beglückwünscht alle Kämpferinnen und Kämpfer, die an dem Widerstand in Gare teilgenommen haben. Er verweist auf den gefallenen Kommandanten Şoreş Beytüşşebap, der für das Kriegsgefangenenlager verantwortlich war: „Als der Feind einen Hügel angegriffen hat, ist Rojhat unter den Drohnen, Hubschraubern und Flugzeugen gegen den Feind vorgegangen und hat ganz allein die Soldaten von dem Hügel vertrieben. Wir haben gesehen, wie sie weggelaufen sind. Sie hatten auf die Luftwaffe und die Technik vertraut und auf die Unterstützung von Verrätern gebaut. Sie dachten, dass sie Gare einnehmen können. Dann mussten sie fliehen.“

Karker berichtet weiter, wie die Armee das Gebiet bombardiert hat, um eine Gruppe Soldaten herauszuholen. „Hier sind Legenden geschrieben worden. Jeder einzelne der vier Tage war eine Legende. Trotz der Kälte und eingeschränkten Möglichkeiten hat die Guerilla gezeigt, dass sie eine professionelle Kraft ist“, fährt Karker fort.

Die Guerilla habe nicht einmal alle Kräfte in Gare zum Einsatz gebracht, wie es der türkische Staat behauptet hat: „Es haben nur einige Gruppen zugeschlagen. Wir haben sie fertig gemacht. Sie wussten nicht, wohin sie fliehen sollen. Wir vertrauen auf unsere Stärke und auf unseren Willen. Unseren Willen stärken wir mit der Philosophie von Rêber Apo. Die Soldaten können gegen uns nicht standhalten. Wir haben ihre Schreie gehört und Stück für Stück nach ihnen gesucht. Sie wussten nicht, wo sie sich verstecken können. Sie können mit noch so vielen Kräften kommen, wir werden Gare immer in eine Hölle für sie verwandeln. Wir haben sie mit zwanzig Personen umstellt und sie fertig gemacht.“

Karker erinnert daran, dass eines der Ziele bei der Operation die Befreiung der Gefangenen gewesen sein soll. „Die Gefangenen waren seit vier, fünf Jahren bei uns, warum haben wir sie nicht getötet? Jeder kennt die PKK. Mit ihren ethischen Grundsätzen ist sie zu einem weltweiten Modell geworden. Wir sind nicht wie der türkische Staat, wir foltern Gefangene nicht. Ein solcher Umgang kommt für uns nicht in Frage. Alle sollten sich die Schilderungen der früher freigelassenen Gefangenen anhören. Daraus geht hervor, was die PKK gemacht hat. Die Gefangenen sind jahrelang nicht ermordet worden, warum sollten sie jetzt getötet werden? Der türkische Staat hat das Camp über ihnen zusammenbrechen lassen. Es ist mit über zehn Geschossen bombardiert worden. Im Inneren ist Gas eingesetzt worden. Der Staat hat seine eigenen Leute getötet. Es waren Polizisten, MIT-Angehörige, Verräter. Sie haben das Blut unserer Freunde vergossen, aber wir haben sie trotzdem nicht getötet, wir foltern nicht. Schaut euch die Soldaten an, sie waren manchmal nur zehn Meter von uns entfernt und haben sich gegenseitig beleidigt. Was sie zueinander gesagt haben, war ein unvorstellbares Beispiel fehlender Ethik. In ihren Gefängnissen wird gefoltert. Die Geschichte des türkischen Staates ist bekannt, man erinnere sich an den Kerker von Amed. Wir sind nicht wie der türkische Staat, wir sind eine politische Organisation mit ethischen Grundsätzen.“

Kein geordneter Rückzug, sondern Flucht“

 

Der Guerillakämpfer Şoreş Zeryan war während der türkischen Besatzungsoperation in einer Angriffsgruppe und erzählt, wie die türkischen Soldaten bedrängt von der Guerilla die Flucht ergriffen haben:

„Morgens gegen drei Uhr begann die Operation in Gare mit knapp vierzig Flugzeugen und zahlreichen Drohnen. Es fanden vor allem Luftangriffe statt. Wir haben unter den Aufklärungsflügen das Operationsgebiet erreicht und zugeschlagen. Ich war in einer Angriffsgruppe. Wir sind mit mehreren Gruppen gegen den Feind vorgegangen. Der Feind ließ seine Leichen zurück und ergriff die Flucht. Sie konnten nicht dagegenhalten. Als sie eingekreist wurden, wussten sie nicht, wohin sie fliehen sollen. Aus diesem Grund ist die Operation nicht fortgesetzt worden. Es war kein Rückzug, sie sind weggelaufen. Die Leichen wurden zurückgelassen. Soweit wir gesehen haben, waren darunter ranghohe Militärs. Trotz ständigen Aufklärungsflügen und Luftangriffen war es nicht besonders schwer, das Gebiet zu erreichen. Es ist ein Guerillagebiet und wir kennen es sehr viel besser. In Siyanê gab es einen Höhle, in der Gefangene waren. Es waren MIT-Leute, Soldaten, Polizisten und Verräter, die das Blut unserer Freunde an den Händen hatten. Sie alle wurden von den eigenen Leuten getötet.“