Die HDP-Abgeordnete Dilan Dirayet Taşdemir hat die staatlich inszenierte Stimmungsmache gegen ihre Person und Partei als traditionelle Schmutzkampagne der Regierung bezeichnet. Zur Delegitimierung der Kritik an ihrem Vorgehen instrumentalisiere die AKP den Tod von dreizehn Kriegsgefangenen der PKK bei einer türkischen Militärinvasion in Südkurdistan, um so auch von der eigenen Verantwortung abzulenken, sagte die kurdische Politikerin diesen Montag im Rahmen einer Pressekonferenz in der HDP-Zentrale in Ankara. Dabei kündigte Taşdemir auch an, sich juristisch gegen Innenminister Süleyman Soylu zur Wehr zu setzen.
Nach dem Tod der Kriegsgefangenen im Guerillagebiet Gare befindet sich die HDP als vermeintlich „verlängerter Arm der PKK“ weiter im Fadenkreuz der Regierungskoalition aus AKP und MHP. Die türkische Führung behauptet, die Gefangenen seien von der PKK exekutiert worden. Die kurdische Bewegung weist den Vorwurf strikt zurück. Ins Zentrum der chauvinistischen Stimmungsmache gegen die pro-kurdische Opposition ist nun Dilan Dirayet Taşdemir gerückt.
Abgeordnete soll Guerilla in Gare besucht haben
Soylu hatte in der Sondersitzung des türkischen Parlaments zum Tod der Kriegsgefangenen vor über einer Woche die Schmutzkampagne bereits angedeutet und unter anderem behauptet, eine HDP-Abgeordnete habe sich in Gare aufgehalten. Die Frage, um wen es sich dabei gehandelt haben soll, ließ er unbeantwortet. Am Samstagabend konkretisierte Erdogans Minister schließlich seine Behauptung in einem TV-Programm des Senders A-Haber und nannte den Namen von Dilan Dirayet Taşdemir. Wenige Stunden später teilte die Staatsanwaltschaft Ankara schon mit, ein Ermittlungsverfahren gegen die 38-Jährige wegen „Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation“ eingeleitet zu haben. Die Äußerung Soylus komme einer Strafanzeige gleich, die verfolgt werden müsse, hieß es zur Begründung.
Keine Beweise, nur Verunglimpfungen und Beleidigungen
„Das sind typische Symptome der Mentalität dieser Regierung. Sobald der Thron wackelt, wird die demokratische Opposition mit Dreck beworfen”, sagte Taşdemir und wies auf die Verhaftungen tausender Mitglieder, Abgeordneter und Bürgermeister ihrer Partei in den letzten Jahren hin. Die Behauptungen des Ministers, sie sei in Gare gewesen, wies Taşdemir erneut als große Lüge und Verleumdung zurück. „Man fragt sich, warum es vier Tage dauert, bis der Minister eine einstündige TV-Sendung mit Verunglimpfungen und Beleidigungen gegenüber unserer Partei durchmoderiert und erst zum Schluss ganz showmastermäßig meinen Namen nennt als die Person, die in Gare gewesen sein soll“, äußerte Taşdemir. „Die Antwort lautet: um die öffentliche Wahrnehmung zu beeinflussen. Statt Rechenschaft abzulegen für die eigene Verantwortung werde ich kriminalisiert.“
Fremdscham angesichts türkischen Medien
Die großmäulig angekündigten Beweise, die ihren angeblichen Aufenthalt in dem Guerillagebiet untermauern sollen, wurden „natürlich“ nicht vorgelegt, führte die Politikerin weiter aus. Kritik richtete Taşdemir auch gegen die türkische Medienlandschaft. Sie empfinde „Fremdscham“, weil sie feststellen musste, dass es keine Hinterfragung der Äußerungen des Ministers gebe. „Wenn Soylu behauptet, ich sei in Gare gewesen, einem Gebiet, in das selbst laut dem Verteidigungsminister noch nicht einmal die türkischen Streitkräfte eindringen konnten, muss er das beweisen. Tut er dies nicht, müssen Journalisten fragen, warum.“ Der staatlich inszenierte Rufmord richte sich jedoch nicht nur gegen ihre Person, sondern ihre Partei und damit gegen die gesamte demokratische Opposition. „Aber insbesondere geht es bei dieser Rufmordkampagne darum, uns Frauen zu kriminalisieren. Doch die Frauensolidarität ist entschlossen, Euer Lumpenproletariat und Eure Mafia zu zerschlagen“, sagte Taşdemir Richtung AKP. Die Abgeordnete hat angekündigt, den türkischen Innenminister zu verklagen. Das Schmerzensgeld, das sie erwarte, wolle sie Frauen- und Kinderprojekten in ihrem Wahlkreis Agirî (tr. Ağrı) zugutekommen lassen.